Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Jan
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Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#1 Beitrag von Jan »

Was gibt/gab es denn eigentlich hierzulande an in Relaistechnik und mit Stelltafel ausgeführten Streckenstellwerken mit größeren Fernsteuerbereichen? Aus Großbritannien kenne ich (ursprünglich angestoßen durch Simsig) eine ganze Reihe von derartigen Stellwerken, während für Deutschland mein Wissensstand viel lückenhafter ist. Gefühlt scheint es mir aber, als ob derartige Stellwerke hier viel weniger verbreitet waren und erst mit der ESTW-Technik zunehmende Verbreitung gefunden haben, und das typische Relaisstellwerk also bestenfalls noch die unmittelbaren Nachbarstellwerke mitsteuert.
So als bekannteste Beispiele aus Deutschland fallen mir auf Anhieb nur Nürnberg - Regensburg und die Vogelfluglinie ein, und beim Drüberschauen über Holger Köttings Stellwerksliste bin ich dann noch über die Gäubahn (Stellwerk Rottweil) von kurz hinter Horb bis kurz vor Tuttlingen gestoßen, und sonst? Täusche ich mich, oder stimmt mein Eindruck tatsächlich?

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F Sch
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#2 Beitrag von F Sch »

Mir fällt da spontan noch die Fernsteuerzentrale in Wittlich für den Abschnitt Schweich - Bullay (ca. 40 km) ein. Zumindest im Südwesten sind größere Stellbereich erst mit den ESTW in der BZ entstanden.

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Carsten Hölscher
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#3 Beitrag von Carsten Hölscher »

Auf der Oberen Ruhrtalbahn gibt's auch teils größere Entfernungen.

Carsten

Lucian Berndt
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#4 Beitrag von Lucian Berndt »

Genau, Rottweil ist so ein Fall. Dort war ich zwar nur zwei Tage drauf aber es ist schon sehr interessant, wenn man einen Zug fast 2 Stunden auf der sehr großen Stelltafel sieht. Durch den großen Stellbereich ist es auch so konzipiert, dass man mit 3 Bedienerpulten (einmal Abschnitt von kurz vor Tuttlingen bis Esig Rottweil, einmal Bahnhof Rottweil mit der Strecke Richtung Villingen sowie die Abstellung und einmal der Abschnitt kurz vor Horb bis Esig Rottweil andere Seite) vor einer sehr großen Stelltafel sitzt und die Fahrstraßen statt wie normal mit drücken des Start- und Zielsignals hier mit der Eingabe der Nummer des Start- und Zielsignals steuert (jedes Signal ist 3stellige, d.h. man gibt immer eine 6stellige Nummer ein und dann wird es auf der Tafel gestellt). Als Rückfallebene kann man immer noch klassisch auf der Tafel drücken, gab auch einen Kollegen dem das lieber war und der es so machte. Ist aber umständlicher durch die "weiten" Laufwege^^

Defintiv sehr interessant gewesen dort!

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SpurplanFdl
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#5 Beitrag von SpurplanFdl »

Also mir fällt da beispielsweise auch noch die Fernsteuerzentrale in Fulda ein. Ist selber ein Sp Dr S600 Stellwerk und steuert aber Stellwerke in verschiedenster Technik fern.
Angefangen von der Üst Landrücken Süd bis hin zur Üst Michelsrombach auf der SFS Hannover-Würzburg sind alles MC L84N Stw.
Auf der Altbaustrecke werden die Bf Götzenhof und Marbach in Dr S2 Technik ferngesteuert und Hünfeld mit Burghaun in Sp Dr S60.
Hinzu kommt noch die Signalisierte Zugleitstrecke nach Gersfeld mit dem Bf Lütter Sig L90.
Steuert somit auch ziemlich lange Streckenabschnitte.

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Carsten Hölscher
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#6 Beitrag von Carsten Hölscher »

Bebras Arm reicht auch bis Sontra.

Carsten

Jan
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#7 Beitrag von Jan »

Hmm, tatsächlich - Fulda kenne ich zwar von Signalsoft, hatte ich aber auch nicht so ganz auf dem Schirm weil sich die Länge auf die Alt- und Neubaustrecke aufteilt, und mit jeweils 40 - 50 km (auf der SFS noch dazu nur ein paar Überleitstellen) war das eher das untere Ende der Größenordnung, die ich im Sinn hatte. Beides zusammengerechnet ist dann allerdings doch eine ordentliche Streckenlänge.

Zu Bebra - wenn ich das richtig sehen, sind das Nord-Süd vielleicht knapp 40 km und Ost-West vielleicht 20 km, und auf der Ruhrtalbahn scheinen die Stellbereiche ebenso jeweils in der Größenordnung von ca. 40 km zu sein, also auch eher am unteren Rand.
Zum Vergleich, aus Großbritannien kenne ich mindestens 30 Stellwerke der Größenordnung 40 Strecken-km und aufwärts, davon mindestens um die 12 in der Größenordnung 80 - 90 km oder in ein paar Fällen sogar deutlich mehr.

Miri
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#8 Beitrag von Miri »

Ja, das ist normal in D und entspricht der durchschnittlichen Entfernung zwischen einem grösseren bis mittleren Knoten und dem nächsten. Philosophie der Bundesbahn war es, solche Bahnhöfe oder "Bahnhofsansammlungen" und die dazugehörigen Abzweige und Umgehungs-/Verbindungsbahnen in einem Stellwerk zusammenzufassen und von dort zu managen. Die Strecken zwischen den Knoten wurde einem Stellwerk mehr oder weniger in der Mitte zugeordnet, wenn denn keine grösseren Rangierarbeiten auf den Bahnhöfen stattfanden und nicht zuviele Nebenstrecken mit wenig Verkehr abzweigten. Paradebeispiel dafür ist der Knoten Münster: das "katholisch-bischöfliche" Stellwerk Mf steuert den ganzen Hbf, die Güterumgehungsbahn und die dazugehörigen Abzweige und Betriebsbahnhöfe. Die zulaufenden Strecken aber steuerte man (wenn sie nicht noch mit Alttechnik ausgerüstet waren) von jew. einem Stellwerk fern, in diesem Fall Ascheberg (ADAC- Bahn) und Lengerich (Osnabrücker Bahn).
Zuletzt geändert von Miri am 02.05.2020 09:44:07, insgesamt 1-mal geändert.
"So einfach ist die V60!"
Standardspruch eines pensionierten Eckeseyer Lehrlokführers

SpurplanFdl
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#9 Beitrag von SpurplanFdl »

Das von Meik angesprochene ,,Konzept‘‘ ist durchaus auch auf der SFS erkennbar.
Zwischen zwei Knotenbahnhöfen liegt meistens auch noch ein Stellwerk in der Mitte das die Bereiche zwischen den Knotenbahnhöfen steuert. Zwischen Würzburg und Fulda wäre das Burgsinn. Im Abschnitt Fulda-Kassel Wilhelmshöhe ist es das Stw Kirchheim und im letzten Teil von Göttingen bis Hannover wären das Nörten Hardenberg und Orxhausen.
Außer die schon angesprochenen Stellwerke (Fernsteuerzentralen) Rottweil und Puttgarden, welche über diese durchschnittliche 40 km Entfernung sind, kenne ich auch keine weiteren.

Die größeren Stellbereiche in D sind dann eigentlich erst durch die ESTW‘s gekommen.
Zuletzt geändert von SpurplanFdl am 02.05.2020 11:06:16, insgesamt 1-mal geändert.

Straßenbahnschaffner
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#10 Beitrag von Straßenbahnschaffner »

Moin,

interessantes Thema! Falls Du mit „hierzulande“ nicht bloß das Ex-Bundesbahn-Territorium meinst, fällt mir noch die Fernsteuerzentrale Rostock ein. Von dort wurden ab 1969 die Betriebsstellen der Strecke von Rostock bis Waren/Müritz (ca. 75 km) bzw. ab 1971 sogar bis Neustrelitz (ca. 110 km) gesteuert.

Nicht nur hinsichtlich Entstehungszeitraum und Dimension sind gewisse Parallelen zur Puttgardener Fernsteuerstrecke erkennbar: In beiden Fällen handelt(e) es sich um eingleisige Hauptbahnen mit hohem Verkehrsaufkommen und großer Bedeutung für den internationalen (Güter-)Verkehr. Naheliegend, dass hier ein hohes Maß an betrieblicher Flexibilität gefordert war – insoweit bot eine zentrale Betriebsführung natürlich enorme Vorteile.

Bereits mit dem zweigleisigen Ausbau der Strecke in den 1980er-Jahren wurde die Rostocker Fernsteuerzentrale allerdings außer Betrieb genommen und die Betriebsstellen wieder örtlich besetzt. Schade, dass man über die genauen Hintergründe nichts erfährt (Umbau zu teuer? Nutzen zu gering?). Zumindest ist mir kein weiterer Fall bekannt, in dem Stellbereiche trotz stärkerer Streckenfrequentierung wieder dezentralisiert wurden. So wird etwa Nürnberg-Regensburg jetzt auf ESTW-Basis aus der BZ München gesteuert. Puttgarden ist sogar noch in Betrieb, obwohl der Verkehr auf der Vogelfluglinie stark abgenommen hat, seit 1997 die feste Querung des Großen Belts in Betrieb ging.

Beste Grüße
Hendrik

Jan
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#11 Beitrag von Jan »

Straßenbahnschaffner hat geschrieben:Falls Du mit „hierzulande“ nicht bloß das Ex-Bundesbahn-Territorium meinst
Ich muss zwar zugeben, dass ich tatsächlich erstmal eher an das ex-Bundesbahn-Gebiet gedacht hatte, aber trotzdem danke für die Ergänzung.
Zumindest im Hinblick auf das Kriterium "eingleisige Hauptbahn" (Vergleichbarkeit des Verkehrsaufkommen kann ich jetzt nicht so ganz einschätzen) würde die Theorie zur Motivation der Fernsteuerung dann ja auch auf die Gäubahn passen, wo die Fernsteuerstrecke ebenfalls mehr oder weniger mit dem eingleisigen Abschnitt zusammenfällt, nur Tuttlingen kurz vor dem südlichen Ende ist noch unabhängig geblieben.

Ansonsten danke mal auch für die übrigen Rückmeldungen, es scheint also, dass mich mein Eindruck nicht ganz getäuscht hat.
Was die angesprochene mögliche "Bundesbahn-Philosophie" mit separaten "Knoten"- und dazwischenliegenden "Strecken"-Stellwerken angeht - das dürfte dann tatsächlich ein Unterschied gewesen sein. In Großbritannien waren kombinierte Stellwerke, die neben dem "Haupt"knoten (wo vorhanden, ab und an ist der Betriebsmittelpunkt ja etwas diffuser) noch ein ganzes ordentliches Stück angrenzende Strecke(n) mitgesteuert haben, definitiv weiter verbreitet. Dazu kommt dann möglicherweise auch noch die Netzstruktur - unter anderem durch die etwas zentralistischere Fokussierung auf London, aber auch die Bevölkerungsverteilung könnte es auch gut sein, dass es auf einigen Hauptstrecken eher größere Abstände zwischen den Hauptknoten gibt als in Deutschland, und vielleicht auch daher eine Tendenz zu größeren Stellbereichen herrührt.

Lonestarr
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#12 Beitrag von Lonestarr »

Straßenbahnschaffner hat geschrieben:Falls Du mit „hierzulande“ nicht bloß das Ex-Bundesbahn-Territorium meinst, fällt mir noch die Fernsteuerzentrale Rostock ein. Von dort wurden ab 1969 die Betriebsstellen der Strecke von Rostock bis Waren/Müritz (ca. 75 km) bzw. ab 1971 sogar bis Neustrelitz (ca. 110 km) gesteuert.
Hallo,

falls noch nicht bekannt, bei der Deutschen Fotothek gibt es unter dem Suchstichwort 'Stellwerk' einen ganzen Schwung Faksimiles von WSSB- Prospekten (hier ab Bild 108). Darunter auch von der Fernsteuerzentrale Rostock.

Gruß Thomas

Straßenbahnschaffner
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#13 Beitrag von Straßenbahnschaffner »

Moin Thomas,

sehr interessant, vielen Dank!

Tommy0815
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Fernsteuern - wie geht das ?

#14 Beitrag von Tommy0815 »

Moin ! :)

Weil es hier gerade zum Thema passt: Wie funktioniert das mit der Fernsteuerung & wie nimmt man diese zurück, wenn man z.B. doch wieder örtlich arbeiten will ?
Tommy

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Michael Springer
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#15 Beitrag von Michael Springer »

Kabel durchzwicken :elk

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TVT
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Re: Fernsteuern - wie geht das ?

#16 Beitrag von TVT »

Tommy0815 hat geschrieben:Wie funktioniert das mit der Fernsteuerung & wie nimmt man diese zurück, wenn man z.B. doch wieder örtlich arbeiten will ?
Vereinfacht gesagt überträgt die Fernsteuerung in Melderichtung die Stelltischausleuchtung, indem an passender Stelle (z. B. Verteilergestell im Relaisraum) die Spannung abgegriffen wird, die die Meldelampe aufleuchten lässt. Auf der Empfängerseite wird die Meldung "Spannung vorhanden ja/nein" wieder auf eine Meldelampe im Fernsteuer-Stelltisch umgesetzt oder in moderner Form in die entsprechende grafische Darstellung auf dem Monitor.

In Kommandorichtung werden auf dem Fernsteuer-Stelltisch Tastendrücke eingelesen bzw. ein Kommando auf dem Bedien-PC. Im Empfänger-Stellwerk wird damit eine Ausgabebaugruppe angesteuert, die wiederum ein Tastenrelais so anziehen lässt, wie es der Tastendruck auf dem Original-Stelltisch tun würde. Das ferngesteuerte Stellwerk merkt so gesehen überhaupt nicht, dass es ferngesteuert wird.

Wenn vor dem Bau der Fernsteuerung bereits ein Stelltisch vorhanden war und dieser nicht zurückgebaut wurde, gibt es eine Umschalteinrichtung, die entweder den Stelltisch oder die Fernsteuer-Eingabe aktiv schaltet. Der "Fern-Fdl" gibt die Ortsbedienung frei, der örtliche Fdl übernimmt sie per Tastenbedienung. Umgekehrt meldet der örtliche Fdl sich per Bedienung "fertig", und der "Fern-Fdl" übernimmt wieder. Für den Fall, dass die Verbindung zwischen Fernbedienstelle und dem örtlichen Stellwerk unterbrochen ist, kann man den Stelltisch mit einer zählpflichtigen Bedienung "hilfseinschalten", so dass man den Tisch zwangsweise übernehmen kann.

Die Melderichtung funktioniert normalerweise parallel, d. h. die örtliche Stelltischausleuchtung und die Ausleuchtung/Monitordarstellung auf der Fernsteuerstelle sind gleichzeitig vorhanden.

Wurde der Stelltisch abgebaut oder war er von Anfang gar nicht vorhanden, gibt's halt die Rückfallebene der örtlichen Bedienung nicht (mehr). Wobei es mit zunehmender Zentralisierung und elektronischen Bedienoberflächen immer weniger Personal gibt, das (von seiner Ausbildung her) die örtlichen Stellwerke noch bedienen kann.

Jan
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#17 Beitrag von Jan »

Wenn es wirklich tiefer gehen sollte, müsste jemand anders noch was dazu erzählen, aber was es in dem Zusammenhang teilweise auch noch gibt, sind Einsparungen bei den hin- und herübertragenen Funktionen. Im Prinzip muss man ja für jede Taste und jedes Lämpchen eine Verbindung zwischen lokaler Stelltafel und ferngesteuertem Stellwerk herstellen. Um jetzt nicht unpraktikabel hunderte von einzelnen Leitungen über dutzende von Kilometern verlegen zu müssen [1], gab es zwar auch schon zu Zeiten der originalen Relaistechnik Techniken (Impulscode ähnlich wie beim analogen Telefon, oder diverse Zeit- oder Frequenzmultiplexverfahren), aber im Vergleich zur den Möglichkeiten der späteren digitalen (Mikroprozessor-)Übertragungstechnik war das immer noch aufwändig genug, das es da zumindest in der Anfangszeit Motivation zu entsprechenden Einsparungen gab.

Nürnberg - Regensburg konnte zum Beispiel auf den ferngesteuerten Bahnhöfen keine Rangierfahrstraßen einstellen, für diese musste das lokale Stellwerk dann besetzt werden [2]. Umgekehrt gibt es, wenn man Signalsoft trauen kann, teilweise z.B. mindestens mal leicht vereinfachte Ausführungen der Weichenmelder.
Je nach Ausführung kann es dann außerdem noch sein, dass zur Vereinfachung der Technik die Fernsteuerung mit einem niedrigeren Sicherheitsniveau ausgeführt ist, da man ja davon ausgehen kann, dass die örtliche Stellwerkstechnik durch Fehlfunktionen der Fernsteuerung entstandene ungewollte Kommandos abfangen wird [3]. Bedeutet dann aber umgekehrt auch, dass man sich im Störungsfall nicht unbedingt auf die Meldeanzeigen auf der Stelltafel verlassen darf.

Über eine interessante Kuriosität bin ich außerdem noch gestolpert - die meisten britischen Relais-Fernsteuerstellwerke sind ähnlich wie die deutschen aufgebaut, also eine Reihe lokaler Stellwerke [4], die die örtliche Signaltechnik mit entsprechend begrenzter Stellentfernung von einigen km direkt ansteuern, und dann ihrerseits von der Zentrale ferngesteuert werden. Bei zwei Stellwerken vom Ende der 60er (Trent und Saltley) war die ganze Stellwerkstechnik hingegen zentral im Gebäude mit der Stelltafel untergebracht, und die Ansteuerung der einzelnen Stellelemente (immerhin über bis zu einige dutzend Kilometer) lief dann über Fernsteuerung. Durchgesetzt hat sich das aber nicht, es ist dann nur bei den zwei Stellwerken geblieben. Erst mit dem britischen Äquivalent zur ESTW-Technik (SSI) kehrte das Prinzip wieder zurück, und zwischenzeitlich verfolgt man mit dem DSTW ja auch hierzulande ähnliche Ansätze zur Vergrößerung der möglichen Stellentfernungen.

[1] Die Amerikaner waren da glaube ich eine der ersten, die mit Fernsteuerung angefangen hatten, und die ersten Fernsteuerungen - noch mit hebelbasierter Bedienung ähnlich einem elektromechanischen Stellwerk - liefen tatsächlich nach dem Prinzip, aber natürlich nur mit kleinen Stellwerken und über geringe Entfernungen, sodass sich diese direkte Verkabelung noch in Grenzen hielt.
[2] Sowas geht aber natürlich nur, wenn lokales Besetzen eine Option ist - die Briten haben meines Wissens bei ihren ferngesteuerten Stellwerken diese recht früh nur mit Notbedienplätzen oder gleich gar nichts ausgerüstet.
[3] Wobei ich mir das bei den deutschen Stellwerken mit ihren vergleichsweise weitreichenden manuellen Eingriffsmöglichkeiten des Fahrdienstleiters etwas schwieriger vorstelle als mit beispielsweise britischen Stellwerken, die klassischerweise nahezu keine Hilfshandlungen zulassen - das Höchste der Gefühle ist dort die Rücknahme einer noch nicht befahrenen Fahrstraße, wobei dann im Zweifelsfall bei sich annäherndem Zug oder zur Kosteneinsparung auch einfach generell eine Zeitverzögerung greift, bis die Fahrstraße tatsächlich auflöst.
[4] Im Englischen kann man schön begrifflich zwischen der nackten Stellwerkstechnik an sich, die für den sicheren Fahrbetrieb sorgt (interlocking) und dem Stellwerksgebäude mitsamt Bedienplatz (signal box) unterscheiden - im Deutschen läuft im Zweifelsfall beides nur unter dem Sammelbegriff Stellwerk.
Zuletzt geändert von Jan am 14.05.2020 09:06:50, insgesamt 1-mal geändert.

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TVT
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#18 Beitrag von TVT »

Jan hat geschrieben:gab es zwar auch schon zu Zeiten der originalen Relaistechnik Techniken (Impulscode ähnlich wie beim analogen Telefon
In meinem Unternehmen war so etwas noch bis vor knapp 10 Jahren in Betrieb und hieß "IR 32". Da konnte man echt zuhören, wie die Bits über die Leitung geschoben wurden. Faszinierend ...

ergo1990
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#19 Beitrag von ergo1990 »

Die IR32/60 ist sogar noch im Betrieb auf der Vogelfluglinie.
Habe, während ich dort gearbeitet habe, teilweise die Fernsteuergruppen aufgearbeitet.
War eine ziemliche Frikelei, bis die Kontaktabstände wieder richtig eingestellt waren ;-)

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Daniel R.
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Re: Größere Fernsteuerbereiche in Relaistechnik

#20 Beitrag von Daniel R. »

Vom OHE-Stellwerk Celle Nord wird bwz. wurde auch einiges ferngesteuert, wohl mindestens die Strecke Richtung Soltau und da kommen laut Streckenatlas auch etwas über 50 km zusammen.
Vom Hörensagen soll es dort auch eine Impuls-Relais-Fernsteuerung IR 32/60 gewesen sein. Vielleicht weiß es ja jemand genauer?

Grüße
Daniel

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