Michl hat geschrieben:Ich denke mal, da liegt doch schon der Unterschied auf der Hand, ob man quasi im Schweinsgalopp oder in einer mehrjährigen Ausbildung qualifiziert wird.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß gerade die langjährigen Mitarbeiter die von mir beschriebene Arbeitsweise praktizieren. Wie auch bei den zwei Ereignissen, die ich genannt habe.
Eine große Rolle spielt die innere Einstellung, wie ordentlich man seine Arbeit ausführt. Es ist klar, daß man gerade Dinge, die man nicht regelmäßig praktiziert (Abweichen vom Regelbetrieb, also z. B. Zurücksetzen eines Zuges), irgendwann teilweise oder vollständig vergißt. Wenn man aber einen gewissen Anspruch an seine Arbeitsweise hat, dann nimmt man während der Arbeitsbereitschaft (auf den wenigsten Stw ist die Arbeitsbelastung so hoch, daß man
nie Zeit dafür hat) das Regelwerk her und frischt mal sein Wissen auf, anstatt allerlei Dinge zu tun, die auf Arbeit nichts verloren haben. Viele der älteren Mitarbeiter kommen immer gerne mit dem Spruch „Ich bin schon … Jahre bei der Bahn.“, womit sie einem dann immer klarmachen wollen, wieviel besser sie sind und wieviel besser sie arbeiten und wieviel Erfahrung sie haben. Aber im FIT sind diejenigen dann nicht einmal in der Lage, den korrekten Wortlaut des Nothaltauftrages wiederzugeben …
Der andere wesentliche Faktor ist die Ausbildung. Unsere Funktionsauszubildenden („Quereinsteiger“) haben eine sehr komprimierte Ausbildung was Dauer und Komplexität betrifft. Die lernen das System Eisenbahn natürlich nicht so umfangreich wie wir Dreijährigen kennen. Ich bin auch kein Freund dieser Kurzausbildung. Ein Jahr Ausbildung sollte bei so einem umfangreichen Regelwerk und der komplexen Technik schon drin sein. Viele F-Azubi sind doch überrascht, wieviel Stoff zu lernen ist und daß es nicht reicht, während der Seminarzeiten mitzuarbeiten, sondern daß man auch in der Freizeit sehr viel lernen muß, um dranzubleiben. Allerdings gibt ihnen die Funktionsausbildung alles an die Hand, was nötig für die Arbeit ist. Und: Die F-Azubi haben einen besseren Wissensstand als manch langjähriger Mitarbeiter, was natürlich wieder an innerer Einstellung und Ausbildung liegt. Viele MA trauern noch der alten Fahrdienstvorschrift hinterher („besser gegliedert“, „nicht so umfangreich“, „verständlicher“ usw.). Gerechterweise muß man aber sagen, daß die aktuelle FV tatsächlich eine Überarbeitung in Sachen Verständlichkeit verdient. – Beste Beispiele sind 0231 Abschn 3 und 0244, die man stark reduzieren/vereinfachen sollte. Außerdem ist man durch die vielen Querverweise oft mit Hin-und-her-Blättern beschäftigt („Sperre nach Modul 408.0403 Nr. … muss angebracht werden.“, „Räumungsprüfung auf Zeit wird erforderlich, wenn a) sie nach Modul 408.0622 Abschnitt 1 Absatz (2) Nr. 4 und Absatz (5) eingeführt werden muss, …“). Wenn man hinschreibt, was man vom Mitarbeiter will, anstatt auf eine andere Stelle zu verweisen, verlängert sich der Text zwar an dieser Stelle, andererseits gewinnt er dann auch an Verständlichkeit und man kommt schneller zu einem Ergebnis. Dazu kommen die ständigen Aktualisierungen und Weisungen. Gerade den älteren MA fällt es nicht immer leicht, neue Regeln zu verinnerlichen. Hier ist der Trainer beim FIT-Unterricht gefragt.
Michl hat geschrieben:Aber solange Konzernen die Rendeite der Aktionäre und die Gewinnmaximierung wichtiger sind, als soziale Gerechtigkeit, wird sich nichts ändern.
Ich finde es schon erbärmlich, wenn es heute Wirtschaftszweige sind, die so "systemrelevant" sind, dass man sie mit Samthandschuhen anpackt in Berlin.
Die Grundsicherung (Verkehr, Post, Energieversorgung usw.) zu privatisieren war das große Verbrechen und einer der Gründe für die Mißstände.
(Ich frage mich, wie man darauf kommt, daß ich neoliberal wäre.)