David Seemayer hat geschrieben:
Zuerst informieren, dann schreiben! Beim VGS80 müssen die Weichen manuell umgestellt werden und es erfolgt durch die Relais nur die Prüfung, aber keine Stellung. Wenn du dir den "windigen" Untersuchungsbericht genau durchliest, dann ist es sehr schlüssig wie die Fehlstellung zustande kommen konnte. Relais brauchen ihre Zeit und die muss man ihnen geben um korrekt zu arbeiten. Nicht umsonst soll man die Tasten nicht nur kurz bedienen.
Trotzdem liegt hier meiner Meinung nach ein Fehler im Schaltungsdesign vor. Es darf nicht sein, dass eine Fahrstrasse festgelegt werden kann, wenn hier Weichen falsch liegen, und das auch nicht bei einem VGS80. Ich habe noch nicht ganz verstanden wie es zu dem Fehler gekommen ist, aber so etwas darf nicht passieren - und genau dieser Aspekt wird in dem Untersuchungsbericht völlig unterschlagen. Soweit ich um die Uhrzeit den Bericht noch verstehe, ist der fragwürdige Punkt auf Seite 17 des Berichtes. Ich kenne die Schaltungsprinzipien des VGS80 nicht, daher ist erstmal die wichtigste Frage ob der Fahrstraßenverschließer bereits die richtige Stellung der Weichen kontrolliert. Falls ja: Warum kann er anziehen, obwohl die Weiche falsch liegt?
Falls nein: Warum ist die Fahrstraßenfestlegung möglich, obwohl die Weiche falsch liegt, bzw. warum kann das Signalstellrelais ohne vorhandene Fahrstraßenfestlegung anziehen?
Michael_Poschmann hat geschrieben:
Ja, dieser Fall ist zumindest in Grundzügen öffentlich geworden. Was ich dabei nicht verstanden habe - wenn der Zug LZB-geführt war, warum hatte dann das erloschene Zs3 überhaupt Bedeutung? Oder leitet die LZB schaltungstechnisch aus dem Zs3 die zulässige Geschwindigkeit ab?
Das hängt vom Stellwerk ab :-)
Bei älteren Stellwerken hat man häufig den direkten Abgriff vom Signal (damit ist sogar LZB bei mechanischen Stellwerken möglich - die Teststrecke dafür war bei den mechanischen Stellwerken nördlich Forchheim), weil hier die Eingriffe in die bestehenden Stellwerke sehr gering sind. Älteres Stellwerk meint nicht unbedingt den Alter des jeweiligen Stellwerks, sondern die technische Ausstattung.
Bei Anlagen, bei denen Stellwerke und LZB aus einem Guß geplant wurden und wo Hochleistungsblock (d.h. LZB-Teilblöcke) oder Dunkelschaltung der Einfahrsignale eingerichtet wurde dagegen sammelt die LZB sich die Informationen aus wesentlich mehr Einzelelementen zusammen. Das ist schon allein deswegen nötig weil an einem dunkelgeschalteten Signal sich so schlecht die der Signalbegriff abgreifen lässt. Hier sind Stellwerk und LZB wesentlich enger verwoben.
Plokky hat geschrieben:
LZB entnimmt seine info direkt von der Signalanschaltung. LZB "kennt" als solches keine Weichen.
Doch, tut sie - schon alleine weil das für die Feststellung in welche Nachbarschleife der Zug einfährt und damit die Adressierung der Züge relevant ist.
Plokky hat geschrieben:@Ronny: Der Oesterreichischer Vorfall beschreibt am Ende klipp und klar worum's geht: die Eintrittswahrscheinlichkeit ist sehr niedrig. Eine Risikoanalyse ist faellig... will noch nicht sagen ob es dann implementiert wird.
Risikoanalysen sind nicht unbedingt verkehrt - die Österreichen haben es mit ihrer EBO2-Bedienoberfläche ganz gut vorgemacht. Die EBO2 ermöglicht es bei vielen Störungen die Überbrückungen sehr selektiv zu wählen. Begründung hier war dass es nicht sinnvoll ist im Störfall komplett auf Fahrstraßensicherung zu verzichten, sondern man versuchen sollte über die Fahrstraßenfestlegung möglichst viel dennoch zu sichern. Dabei wird dem Fahrdienstleiter eine große Menge Überbrückungsmöglichkeiten in die Hand gegeben, mit der er die Überwachung des gestörten Bauteils überbrücken kann, der Rest wird im Gegensatz zu Alttechniken weiterhin von der Anlage gesichert. Das zusätzliche Risiko durch die Überbrückungsmöglichkeiten hält sich hier aber sehr in Grenzen.
Aber: Bei Risikoanalysen die das Herabsetzen der technischen Sicherheit empfehlen habe ich ziemlich Bauchschmerzen. Risikoanalysen ergeben immer so schöne Prozentwerte, Unfallraten o.ä., nur - wie zuverlässig sind die tollen Werte? Es sind halt keine sicheren Werte, sondern Abschätzungen, und wenn der Analysator sich verschätzt hat, dann nutzen einem die ganzen tollen Zahlen nichts.
Dies ist mit allen anderen deutsche Stellwerksbauarte auch moeglich.
Fehler kommen leider immer vor, das lässt sich nicht vermeiden. Trotzdem stört es mich ziemlich wie Du versuchst die deutsche Stellwerkstechnik hier als unsicher zu diskreditieren, was in dieser Form definitiv falsch ist.
Plokky hat geschrieben:
Die USA Relais sind in sich selbst sicher. Die Deutsche Relais brauchen Relais um zu kontrollieren ob das andere Relais richtig funktioniert.
Und was ist daran schlecht? Die Deutschen haben diese Variante nicht gewählt, weil sie zu doof sind Schwerkraftrelais zu bauen, sondern weil sie andere Vorteile hat, nämlich wesentlich kleinere Relaisbauformen. Es sind zwei verschiedene Systeme, beide haben ihre Vor- und Nachteile, die einen haben sich für das eine System entschieden, die anderen für das andere. Wie gesagt: Das war eine bewusste Entscheidung in Deutschland, die in der einschlägigen Literatur damals auch umfangreich begründet wurde.
Plokky hat geschrieben:
Zur weiteren Info: Die "wahrnehmungssichere" Signaltechnik fordert auch einen anderen Ansatz der Vorschriften. Vor allem im Bezug zu erloschenen Signale.
Wieso? Was ist da an den deutschen Vorschriften nicht ausreichend?
Einen Mangel von erloschenen Signalen kann die beste Vorschrift nicht ausgleichen: Nämlich die wesentlich schlechtere Erkennbarkeit bei Dunkelheit.
Das es durch das Verdecken eines Signalelementes zu einer Signalaufwertung kommen kann ist nicht optimal, das gebe ich zu, und ich verstehe auch nicht warum man da nicht mehr Wert darauf gelegt hat, insbesondere weil es entsprechende Überlegungen zur Korrektur dieses Mangels schon in den 30ern gegeben hat.