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Verfasst: 20.04.2005 19:41:57
von Roland Ziegler
Ich meine mich dunkel an jene Vorlesung zu erinnern, wo aus dem Auditorium gefragt wurde, was denn wäre, wenn dem guten Mann an der Schrankenkurbel nach dem Abhören der Zugmeldung und vor Betätigen derselben etwas zustieße.

Bei mir hat sich damals die Erkenntnis entwickelt, dass das Eisenbahnsicherungswesen eines mit beschränkter Haftung ist.

Auch die diesbezüglichen hier soeben zu lesenden österreichischen Vorschriften ändern an meiner Skepsis nichts.

Verfasst: 20.04.2005 20:17:20
von (Ar-) T-Rex
Tja, Roland, dann mußt Du mit dem Auto fahren, jeden BÜ (ÖBB: EK) meiden und im Glauben verharren, daß Du trotzdem damit sicherer unterwegs bist ...

Arthur :D

Verfasst: 20.04.2005 20:35:17
von Carsten Hölscher
Jede Bahn hat offenbar aus eigenen Unfällen ihre Schlüsse gezogen, bis zu den Nachbarbahnen drangen diese Erkenntnisse nicht immer oder erst sehr verspätet durch. Muß vermutlich immer erst im eigenen Land passieren.

Beispiele:

DR und das verheerende Unglück in Langenweddingen -> Schranken müssen bei Einstellen der Fahrstraße geschlossen sein.

Bundesbahn: Mehrere Unfälle wg. zu hoher Geschw. -> Flächendeckende Ausrüstung mit Indusieinrichtungen
Unfall Dahlerau -> Umrüstung praktisch aller Nebenbahnen auf richtige Asigs.
Unglück Rüsselsheim -> PZB90 und Nachrüsten von 500ern

Carsten

Verfasst: 20.04.2005 23:50:34
von Lutz Troitzsch
@Carsten

das ist einfach falsch was Du zu Langenweddigen schreibst,mit der Fahrstraßeneinstellung hat das nichts zu tun.Die BÜ s wirken immer direkt auf das Signal,außer bei Durchrutschwegen.Selbst Vorsignale wurden dabei mit Berücksichtigt wenn der BÜ zwischen Haupt und Vorsignal lag trotz vorhandenen So 16.
In Auswertungen dieses Unfalls wurde das sogenannte Leipziger Verfahren bei der Zugmeldung eingeführt.
Diese Verfahren beinhaltet das vor Stattfinden der Zugfahrt vergeweckt wird,daraufhin werden die Schranken geschlossen.Wenn die Zugmeldung erfolgt meldet sich jeder Posten mit Schranke geschlössen.
Danach durfte erst die Zugfahrt stattfinden.
Innerhalb von Bahnhofen und an Block und Abzweigstellen wurden die Schranken mit einem Rückververschluß ausgerüstet,der garantiert wenn die Bäume eine Stellung von 90 grad einnehmen,das erst dann das Signal in die Fahrtstellung kommt.Zusätzlich wurden sogar die elektrischen Winden überprüft.
Für mech BÜ s gab es eine Sparvariante ein sogenannter Windenverschluß,mit dessen Schlüssel die Signalschubstangen über ein Hebelbankschloß freigeschlossen wurde.
Es gab noch andere Varianten der Sicherung der BÜ s

Mfg

Lutz

Verfasst: 21.04.2005 06:14:44
von Gerd Schütz
Mir ist auch nur ein "Posten xy hört" bekannt. Das schließen der Schranken wurde erst nach einer gewissen Zeit (gemeldte Abfahrtzeit + x min) durchgeführt. Ich glaube das war dann auch irgendwo vermerkt (im Bahnhofsbuch evtl.)

Eine andere vorgehensweise halte ich auch für problematisch. Je nach örtlichen Gegebenheiten.
Wenn ich bedenke das die Schranken in Höxter-Rathaus schon bei Abfahrt in Ottbergen geschlossen sein müssten. Gar nicht erst von der Buindesstraße sprechend. Dann kommt noch ein Haltepunkthalt in Godelheim als Zeitverzögerung dazu. In Hx-Rathaus sogar noch ein zweiter Halt. Na dann sind die Schranken mind. 10 / 12 min geschlossen.

Gerd

Verfasst: 21.04.2005 09:48:52
von Roland Ziegler
Das von Lutz erläuterte Verfahren mit Variationen zeichnet sich durch eine "Transaktionssicherheit" aus, wie ich sie als naiver Systembetrachter auch erwarten würde.

Dass man damit eine Viertelstunde vor geschlossener Schranke stand, war eine für Straßenverkehrsteilnehmer unangenehme Nebenwirkung.

Ich bin an jener Kleinbahn aufgewachsen, die mit dem Namen "Dahlerau" in die Geschichte der Eisenbahnkatastrophen eingegangen ist. Wegen fehlender Ausfahrsignale und fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten kam es 1971 zu dem großen Unglück. Die Schrankenanlagen aber in unseren kleinen Bahnhöfen hatten eine gewisse Signalabhängigkeit - per Schlüsselung. Von mir als Kind intensiv beobachtet und verinnerlicht.

Deswegen war meine spätere Verblüffung um so größer, dass an den "viel gefährlicheren" Hauptstrecken "Zuruf" und Selbstvertrauen genügend Sicherheit produzieren sollten.

Verfasst: 21.04.2005 14:24:21
von Michael_Poschmann
Aus alter Fahrschulzeit ist mir in Erinnerung, daß sich der geneigte Autofahrer auch bei geöffneten Schrankenbäumen oder erloschenem BÜ-Blinklicht zu vergewissern hat, daß kein Schienenfahrzeug unterwegs ist. Die Aufforderung dazu steckt implizit im Andreaskreuz, aber die Bedeutung wird immer mehr verdrängt.

Michael
der auch heute noch an Bü "mal eben" nach rechts und links schaut

Anekdotenmodus: Meine Fahrlehrerin wies mich seinerzeit anläßlich einer Übungsfahrt beim Queren des Bü Anst Feldmühle in Arnsberg Süd darauf hin, daß ich mit meinem Verhalten (eben kein Blick nach rechts und links) soeben durch die Fahrpürfung gerasselt wäre. Meine Antwort darauf: "Wir haben jetzt halb Sieben, der nächste Güterzug erscheint erst um sechs Uhr in der Frühe. Und der Bü ist durch den Rangierleiter mit Flagge zu sichern!" wurde überrascht als sicherlich zutreffend gewertet. Dennoch sollte ich im Eigeninteresse einfach Hingucken, um nicht mit dem Prüfer diskutieren zu müssen. Was tut man nicht alles für den "Lappen". 8)

Verfasst: 21.04.2005 14:54:23
von (Ar-) T-Rex
Michael Poschmann hat geschrieben:Aus alter Fahrschulzeit ist mir in Erinnerung, daß sich der geneigte Autofahrer auch bei geöffneten Schrankenbäumen oder erloschenem BÜ-Blinklicht zu vergewissern hat, daß kein Schienenfahrzeug unterwegs ist. Die Aufforderung dazu steckt implizit im Andreaskreuz, aber die Bedeutung wird immer mehr verdrängt.

Michael
der auch heute noch an Bü "mal eben" nach rechts und links schaut
Völlig richtig. Deshalb ist ja auch nie die Eisenbahn alleine schuld, wenn auch bei offenen Schranken etwas passiert.

Arthur,
der sich infolge "höheren Kenntnisstandes" IMMER vor Überqueren einer EK vergewissert, ob dies gefahrlos möglich ist.

Verfasst: 21.04.2005 14:55:43
von Holger Lürkens
"An diesem Bahnübergang brauch ich nicht zu schauen. Der nächste Zug kommt erst morgen früh" waren auch die letzten Worte eines Autofahrers an den Beifahrer, bevor ein Sonderzug sein Auto in einen Schrotthaufen verwandelte.

Holger

Verfasst: 21.04.2005 15:46:38
von Michael_Poschmann
Holger Lürkens hat geschrieben:"An diesem Bahnübergang brauch ich nicht zu schauen. Der nächste Zug kommt erst morgen früh"
Übel wird es, wenn der Leereisezug aus einem "Schöner Tag"-Ausflug gegen zwei Uhr nachts mit den letzten beiden Wagen auf einem Blinklicht-Bü stehenbleibt - immerhin eine Kreisstraße - und sich Tf und Rgl*) in Fehleinschätzung der Zuglänge die bereits auf der Hinfahrt angebotenen Grillwürstchen einer Gartenparty einverleiben. Nicht nur der Fdl im Stellwerk des Abzweigbahnhofs war ob der Dienstschichtverlängerung um noch eine weitere Dreiviertelstunde sauer - eine Bekannte berichtete mir einige Wochen später: "Da hat ein Zug auf dem BÜ gestanden, und als es gar nicht mehr weiterging, bin ich außenrumgelaufen!". Üble Falle - die Beleuchtung der Wagen hat wohl irgendwann auf "Notfunzeln" umgeschaltet. Passiert ist zum Glück nichts, seinerzeit gab's auf Nebenstrecken noch Schutzengel.

Michael



*) und ein forumsbekannter, seinerzeit sehr jugendlicher Mitreisender :)

Verfasst: 21.04.2005 16:58:53
von Carsten Hölscher
Lutz Troitzsch hat geschrieben:@Carsten
das ist einfach falsch was Du zu Langenweddigen schreibst
dann erleuchte mich mal, ich habe den Widerspruch, der dann ja zwischen meinen und Deinen Ausführungen existieren muß, nicht gefunden.

Carsten

Verfasst: 21.04.2005 17:39:29
von Marcel Zehl
Zu Langenweddingen ein paar Scans (vielleicht klärt es ja ein wenig auf):

http://home.arcor.de/themaze/Langenweddingen/

Verfasst: 21.04.2005 19:22:46
von (Ar-) T-Rex
Das ist ja sehr interessant. Danke für den Link, Marcel!

Von diesem Unglück wußte ich bisher noch gar nichts. Vor allem ist es im Standardwerk über alle (???) größeren Unglücke der deutschen Bahnen ab 1945 von Ritzau nicht enthalten, und zwar in beiden Bänden nicht. Das erstaunt umso mehr, als es ja von den Folgen her als Katastrophe (eine der größten der Eisenbahn-Unfallgeschichte!) zu bezeichnen ist.

Über Schuld und Unschuld will ich mich nicht äußern, dazu genügt mir ein Zeitungsartikel (noch dazu aus der DDR) einfach nicht; aber so, wie es prima facie aussieht, hätten da noch mehrere Leute verurteilt gehört X( .

Arthur,
wieder mal geschockt

Verfasst: 21.04.2005 19:48:46
von (Ar-) T-Rex
Ach ja, noch was:
Carsten hat geschrieben:DR und das verheerende Unglück in Langenweddingen -> Schranken müssen bei Einstellen der Fahrstraße geschlossen sein.
Lutz hat geschrieben:Carsten; das ist einfach falsch was Du zu Langenweddigen schreibst,mit der Fahrstraßeneinstellung hat das nichts zu tun. Die BÜ s wirken immer direkt auf das Signal.
Selbstverständlich hat Lutz vollkommen recht.

Die Einstellung, der Verschluß und (in Österreich) die Festlegung einer Fahrstraße ist selbstverständlich möglich, ohne daß ein SIGNALABHÄNGIGER Schranken (bzw Lichtzeichenanlage) geschlossen sein (bzw dem Straßenverkehr Halt gebieten) muß.

Nur das zugehörige Signal kann diesfalls erst freigestellt werden, wenn der Gatter zu ist oder Rotlicht leuchtet (deshalb heißt es ja signalabhängig, und nicht etwa fahrstraßenabhängig).

Es ist halt ein Kreuz mit den Laien, gell, Lutz... ;(

Arthur :D

Verfasst: 21.04.2005 21:28:26
von Jörg Petri
(Ar-) T-Rex hat geschrieben:...Nur das zugehörige Signal kann diesfalls erst freigestellt werden, wenn der Gatter zu ist oder Rotlicht leuchtet (deshalb heißt es ja signalabhängig, und nicht etwa fahrstraßenabhängig)...
Man merkt, Arthur ist noch voll im Stoff. :]

Hier mal ein Beispiel, wie eine Fehlprojetktierung zur Betriebsgefahr wird:
HBDG im Dez 2004, eine Sperrfahrt überfuhr einen Gleisabschluß. Wieso wahr das möglich? Wenn die HHER bedient werden soll, muß das von HBDG als Sperrfahrt erfolgen. Der Fahrweg muß wegen Verschluß der Fahrstraßen und nicht der Ausfahrsignale bei Entnahme des Awanst-Schlüssels als Einzelsicherung hergestellt werden. Durch den Fahrstraßenverschluß ist die Benutzung des Fstr-Hebels in der Hilfsstellung für Ausfahrten ins Regelgleis HBDG-HBKL / Einfahrten vom Gegengleis HBDG-HBKL von und nach Gleis 1&3 nicht möglich. Für die Einfahrten vom Gegengleis nach Gleis 2 gibt es eine Hilfsfstr., welche nicht verschlossen wird. Die Einfahrt erfolgt auf das seltene Ts2/3.
Mit Inbetriebnahme des neuen ESTWs wird das aber Vergangenheit sein, dann wird HBDG und HBKL ein HP mit Awanst und HHER eine Überleitstelle mit Awanst.

Code: Alles auswählen

HBDG - Bad Driburg
HBKL - Brakel Kr. Höxter
HEER - Awanst Herste

Verfasst: 21.04.2005 21:33:33
von Andreas Karg
Hey, die Strecke kennen wir doch! :D

Verfasst: 21.04.2005 21:45:56
von Holger Lürkens
(Ar-) T-Rex hat geschrieben:
Von diesem Unglück wußte ich bisher noch gar nichts. Vor allem ist es im Standardwerk über alle (???) größeren Unglücke der deutschen Bahnen ab 1945 von Ritzau nicht enthalten, und zwar in beiden Bänden nicht. Das erstaunt umso mehr, als es ja von den Folgen her als Katastrophe (eine der größten der Eisenbahn-Unfallgeschichte!) zu bezeichnen ist.
Da muß ich widersprechen. Im Buch "Katastrophen der deutschen Bahnen Teil II" von Ritzau wird der Unfall Langenweddingen auf den Seiten 296 und 297 beschrieben. Ebenso im Buch "Die Katastrophenszene der Gegenwart" von Ritzau auf der Seite 180.

Holger

Verfasst: 21.04.2005 21:55:28
von (Ar-) T-Rex
Ah ja, richtig!

Ich habe nur im chronologisch aufgelisteten Teil B nachgesucht, wo bloß die Zugsunglücke stehen, und nicht im Teil C - spezielle Unfallarten, Abschnitt IV - Zusammenpralle an Bahnüberwegen etc bzw im Teil D - Unfälle in der DDR, wo dieser Unfall beschrieben ist, und zwar im wesentlichen genau so, wie im Link oben, nur verkürzt.

Danke, Holger!

Das war eine Unaufmerksamkeit meinerseits, die nicht vorkommen sollte.

Arthur

Verfasst: 21.04.2005 22:35:16
von Carsten Hölscher
ich glaube, wir reden etwas aneinander vorbei. Es ging hier doch um Schrankenposten (typischerweise auf freier Strecke) ohne Abhängigkeiten. Ergo muß der Fdl vom Wärter die Bestätigung einholen, daß die Schranken unten sind (das war ja der Ausgangspunkt: "Also mit "Ich bin da" bleibt bei mir jeder Zug stehen, wenn schon, dann nur mit "Posten .. , Schranken geschlossen." ).
Lutz sprach offenbar von Schranken, die eine techn. Abhängigkeit haben.

Carsten

Verfasst: 21.04.2005 23:10:18
von Marcel Zehl
So in etwa läuft das bei uns, ja. Die nächste Betriebsstelle ist ein Schrankenposten, ich selbst arbeite (noch :( ) auf einer Blockstelle (Friedrichssegen Ost).
Der Schrankenwärter muss sich (ebenso wie ich) bei der Zugmeldung melden und entsprechende Aufschreibungen führen. Wenn er seine Schranke geschlossen hat, muss er mir das melden - die Uhrzeit muss ich in eine Spalte im Zugmeldebuch eintragen. Erst danach darf ich mein Signal auf Fahrt stellen (natürlich erst nachdem ich meine Schranke geschlossen habe, die ebenfalls nicht signalabhängig ist). Das gleiche Verfahren gilt auch für die Gegenrichtung (Bk Nievern).
Zwar wird die Zugmeldeleitung mit einem Tonband überwacht, völlige Sicherheit ist aber nicht geboten. Es kam schon mehrfach vor, dass die Schranke trotz Meldung offen war.