Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Nachzugler
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#781 Beitrag von Nachzugler »

Wie sieht es mit dem, was früher ETCS Level 3 genannt wurde, aktuell aus? Das Problem ist ja die Zugvollständigkeitskontrolle. Die sollte aber doch bei ICE nicht so schwer sein. Die Wagen sind dauerhaft gekuppelt und eine Trennung sollte schnell und sicher detektierbar sein. Und auch wenn zwei oder drei ICE gekuppelt werden, sollte es doch möglich sein, den Verlust eines ganzen Zuges sicher zu detektieren.
Damit könnte auf freier Strecke hinter ICE mit Level 3 und Bremswegabstand gefahren werden. Auf der Strecke Köln-Rhein/Main fahren praktisch nur ICE, so dass die Strecke komplett mit Level 3 bedient werden könnte.
Für mich als Halblaien hört sich das ganze relativ einfach an, wobei ich weiß, dass 'relativ einfach' eben relativ ist.

Wird das schon gemacht? Und wenn nicht, warum nicht? Ist das ein technisches oder ein rechtliches (Zulassungs-)Problem? Unter https://de.wikipedia.org/wiki/Zugvollst ... skontrolle steht nur, dass Anschaffungen geplant sind.
Oder ist für die Stellwerke ein Level-2-3-Mischbetrieb nicht möglich?

Alwin Meschede
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#782 Beitrag von Alwin Meschede »

In einem Stellwerk mit hardwareseitiger Gleisfreimeldung ist die Welt ja hübsch einfach: Man muss einfach nur dafür sorgen, dass kein Zug in den durch einen anderen Zug belegt gemeldeten Bereich eindringt, und alles wird gut. Wenn jetzt aber gleichzeitig Züge im Stellbereich rumeiern, welche die Gleisfreimeldung brauchen oder sie nicht brauchen, ist alles sofort viel komplizierter: Hinter einem Level-3-Zug darf und muss das Stellwerk jetzt Züge in Abschnitte einlassen, die von der Hardware eigentlich als belegt gemeldet werden. Hinter einem Level-2-Zug darf das Stellwerk dies aber wiederum nicht tun. Da ist einiges an Fallunterscheidungen erforderlich, und man muss auch in den umliegenden Systemen einige Probleme erstmal lösen: Wo kommen jetzt zum Beispiel die Informationen her, an welchen Stellen der Bediener des Stellwerks rote Linien auf seinem Bildschirm sieht, welche die Züge auf der Strecke darstellen? Was ist mit der Zugnummernmeldeanlage? Alles nicht so ganz einfach.
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F. Schn.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#783 Beitrag von F. Schn. »

Es gab mal hier ein spezialisiertes Thema zu ETCS L3: viewtopic.php?f=13&t=18964

Also mal grob zusammen gefasst: Die Vorteile des "Fahrens im Bremswegabstand", die ETCS L3 in der Theorie bieten soll, sind in der Praxis schon lange stark relativiert (Stichwort CIR-ELKE). Im Prinzip lässt sich das ganze auch mit überschaubarem technischen Aufwand auch klassisch lösen (Stichwort Hochleistungsblock). Gerade für ICE-Strecken ist da kapazitiv oder beschleunigend keine all zu großen Vorteile zu erwarten, es wird aber vermutlich die Tischnische Ausrüstung vereinfachen.

Gleichzeitig bringt L3 aber eine Menge größerer Herausforderungen (im Thema sind z.B. Timing-Themen in Knoten erwähnt). Im Ausland kommt es punktuell als ZLB zum Einsatz, ansonsten ist da momentan eher wenig los. Also "wird das schon gemacht" - eher naja.

Um die Theoretischen Vorteile doch noch ein wenig näher in Richtung Greifbar zu bekommen, möchte man nun das Level 2 und das Level 3 streichen und zu einem neuen, gemeinsamen Level (Level 2 neu) zusammenfassen. Ob das verfängt, mal abwarten. Es ist aber momentan durchaus einiges an Bewegung in der Sache.
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Nachzugler
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#784 Beitrag von Nachzugler »

F. Schn. hat geschrieben: 03.01.2024 19:50:16 Es gab mal hier ein spezialisiertes Thema zu ETCS L3: viewtopic.php?f=13&t=18964
In dem Thema habe ich mitgeschrieben. Die Probleme in Bahnhöfen habe ich verstanden, deshalb ging es mir hier um die freie Strecke.
F. Schn. hat geschrieben: 03.01.2024 19:50:16 Im Prinzip lässt sich das ganze auch mit überschaubarem technischen Aufwand auch klassisch lösen (Stichwort Hochleistungsblock). Gerade für ICE-Strecken ist da kapazitiv oder beschleunigend keine all zu großen Vorteile zu erwarten, es wird aber vermutlich die Tischnische Ausrüstung vereinfachen.
Dafür müsste man aber die Fernverkehrsstrecken mit mehr Gleisfreimeldern ausstatten. Wird das noch gemacht, wenn ETCS schon mehr als einen Fuß in der Tür hat?
Alwin Meschede hat geschrieben: 03.01.2024 09:49:25 Man muss einfach nur dafür sorgen, dass kein Zug in den durch einen anderen Zug belegt gemeldeten Bereich eindringt, und alles wird gut. Wenn jetzt aber gleichzeitig Züge im Stellbereich rumeiern, welche die Gleisfreimeldung brauchen oder sie nicht brauchen, ist alles sofort viel komplizierter:
So ähnlich ist es doch auch schon bei der LZB. Manche Züge müssen vor Signalen angehalten werden, andere dürfen Signale überfahren.
Alwin Meschede hat geschrieben: 03.01.2024 09:49:25 Man muss einfach nur dafür sorgen, dass kein Zug in den durch einen anderen Zug belegt gemeldeten Bereich eindringt, und alles wird gut.
Außer ein paar Runden im Stellwerksim kenne ich mich mit Stellwerkstechnik nicht so aus, also die Überlegung als Laie:
Wie du schreibst, muss das Stellwerk sicherstellen, dass kein Zug in einen belegten Abschnitt einfährt. Wie merkt es, ob der Bereich belegt ist? Es bekommt Informationen darüber, wenn und wann ein Zug einen Bereich verlassen hat. Fährt da ein Zug ohne Level 3 meldet zum Beispiel ein Achszähler die Überfahrt und das Stellwerk weiß, dass der Bereich frei ist. Fährt da ein Zug mit Level 3, meldet der Zug, dass der Bereich frei ist.
Ich sehe da für das Stellwerk technisch keinen großen Unterschied zwischen
'Achszähler meldet: 100 Achsen haben km 100,0 überfahren'
und
'Zug meldet: Vollständiger Zug hat km 99,0 überfahren' - 'Zug meldet: Vollständiger Zug hat km 99,2 überfahren' - 'Zug meldet: Vollständiger Zug hat km 99,4 überfahren' - 'Zug meldet: Vollständiger Zug hat km 99,6 überfahren'...

In beiden Fällen bekommt das Stellwerk die Information, bis zu welcher Stelle die Strecke frei ist und muss nachfolgende Züge aus belegten Abschnitten raushalten.
Alwin Meschede hat geschrieben: 03.01.2024 09:49:25 Wo kommen jetzt zum Beispiel die Informationen her, an welchen Stellen der Bediener des Stellwerks rote Linien auf seinem Bildschirm sieht, welche die Züge auf der Strecke darstellen? Was ist mit der Zugnummernmeldeanlage? Alles nicht so ganz einfach.
Was ist daran nicht einfach? (Verständnisfrage) Ein Zug, der selber zum Beispiel alle 200 m zurückliegende Blöcke freimeldet ist doch logisch aus Stellwerkssicht nichts anderes, als wenn alle 200 m streckenseitige Freimeldeeinrichtungen verbaut wären. Und das sollte doch kein grundsätzliches Problem für ein modernes Stellwerk sein, oder?

Deshalb auch die Frage, ist das wirklich ein technisches Problem oder 'nur' ein Zulassungsproblem?

F(R)S-Bauer
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#785 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Hallo,

das Problem ist und bleibt "der Güterzug". Sobald du eine Zugart im Netz hast, die keine Vollständigkeitsmeldung gibt, musst du immer von Gleisschaltmitteln ausgehen.
Das Problem ist nicht vergleichbar mit den virtuellen Blocks, da mangelt es an der notwendigen Lokausrüstung.

Und da es ja wieder losgeht, dass gegen die Einführung einer automatischen Stimmung gemacht wird, wird man es vergessen können.
Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, wenn man sowieso Gleismittel braucht, auch noch eine Technik zur Luftfreimeldung einzubauen.

Gruß

Ralf

Wolfgang E.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#786 Beitrag von Wolfgang E. »

Ich denke ein Problem ist, dass man als Zugbetreiber heute investieren muss, damit mehrere Jahre später, wenn alle Fahrzeuge, die eine Strecke befahren sollen so weit sind, jemand anderes (InfraGO) auf einer Strecke, die dann sowieso neu ausgerüstet wird, Kosten sparen kann, die er vielleicht über ein geringeres Trassenentgelt an die Verkehrsunternehmen zurück gibt. Das ist betriebswirtschaftlich nicht darstellbar.
Warum haben nur so wenige Fahrzeuge eine ETCS-Ausrüstung? Der einzige Grund für eine solche Ausrüstung, wenn man denn nicht ins Ausland fährt, ist aktuell die Obsoleszenz der LZB. Dabei wären jetzt beispielsweise auf der Riedbahn Infrastrukturkosten einzusparen, indem man beim Neubau PZB und Lichtsignale weg lässt.

Langer Rede kurzer Sinn: Wer so etwas möchte, muss dafür sorgen, dass es Netzzugangskriterium wird und auch bereit sein, die nötigen Maßnahmen zu finanzieren. Gleisfreimeldung durch den Zug ist aber für Züge aus Lok und Wagen wohl noch nicht serienreif. ETCS L2 OS wäre hingegen eine echte Option. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, stößt in den Knotenpunkten aber GSM-R an seine Grenzen. Aber L1 wäre ja auch schon ein Fortschritt.

Viele Grüße
Wolfgang

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F. Schn.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#787 Beitrag von F. Schn. »

Nachzugler hat geschrieben: 05.01.2024 09:27:33 müsste man aber die Fernverkehrsstrecken mit mehr Gleisfreimeldern
Die Knoten. Die Strecken selbst sind meistens kein Engpass, der sich dadurch mehr als nur minimal verbessern lässt. Gerade bei höheren Geschwindigkeiten nicht. Jedenfalls laut den verwiesenen Quellen im anderen Thema, die ich mir damals durchgelesen hatte. Bei einer eingleisigen Strecke ohne Blockteilung zwischen den Bahnhöfen, bei denen einmalig ein Sonderzug fährt, ist das natürlich anders.
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F(R)S-Bauer
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#788 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Hallo,

irgendwelche Zwänge in Richtung ETCS wird man genauso wenig anpacken (ohne EU Druck) wie das Dienstwagenprivileg. Schließlich schmälert das den Cash-Flow an die Vorstände und Aufsichtsräte ("...Wirtschaftichkeit..."), wo man ja irgendwie drinsitzt.

Gruß

Ralf

Nachzugler
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#789 Beitrag von Nachzugler »

Ok, ich nehme also mit, zu viel Aufwand, sowohl finanziell, als auch technisch für zu wenig Nutzen.
Danke für die Antworten.

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F. Schn.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#790 Beitrag von F. Schn. »

Aber der Aufwand halt eher mit Fokus auf (zu viel) Entwicklungsaufwand. Ist die Entwicklung mal durch, z.B. durch Fördergelder oder durch ausreichend Zeit, werden die Karten neu gemischt und man muss vermutlich neu schauen.
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Wolfgang E.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#791 Beitrag von Wolfgang E. »

Die Entwicklung für ETCS ist ja weitgehend durch. Jetzt stehen wir vor dem Henne-Ei-Problem: Man kann jetzt hingehen und alle Fahrzeuge doppelt (ETCS und PZB) ausrüsten, bis es keine PZB mehr gibt. Das schließt aber auch die ganzen Altbaureihen ein, die noch ein paar Jahre fahren. Das sind auch noch 103, 111, 140 und sogar 194 dabei, die in geringer Stückzahl noch alle kommerziell betrieben werden. Das muss aber jemand bezahlen. Bei den Strecken wird jede Stellwerkserneuerung dann zu einer Umstellung auf ETCS führen, da die Leittechnik dann günstiger ist. Allerdings sollen die Transitionen zwischen den Leveln und zu den Altsystemen wohl ein wenig Streckenlänge erfordern. Aber ETCS-Stellbezirke sind ja häufig größer. In der Weise hat man es beim Zugfunk von analog zu digital gemacht.
Oder man rüstet jetzt die Strecken doppelt aus und hat außer im Verkehr > 160 km/h keinerlei Motivation zur ETCS-Ausrüstung im Fahrzeug. Den Weg scheint man nun zu gehen.
Der Nutzen ist neben der europäischen Einheitlichkeit schon durch ein höheres Sicherheitsniveau und im Vergleich zur PZB90 geringeren Betriebsbehinderung und eben einfachere Infrastruktur gegeben. Aber er reicht betriebswirtschaftlich auf kurze Sicht nicht, bzw. realisiert sich nicht bei den Firmen, die investieren müssten.
Es braucht also den politischen Willen wie in der Schweiz oder Luxemburg.

Viele Grüße
Wolfgang

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F. Schn.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#792 Beitrag von F. Schn. »

Naja, was heißt durch. L1 LS ist ja "nach" der Entwicklung in ein Umsetzbarkeitsproblem gelaufen. (Wäre das einfach umsetzbar gewesen, wäre ETCS in kürzester Zeit deutschlandweit ausrollbar und deine Überlegungen sähen anders aus.) L3 kann halt ähnliches drohen, da wie gesagt in einer Mischbetriebsstrecke Gz+Pz mit Mischbetrieb L2+Signal oder L2 oS man bei ausreichend Bedarf den Hochleistungsblock hat. Andererseits: Wenn man sich auf Mischbetrieb ETCS+Signal festlegt, kann hingegen schon bei 2 Zügen hintereinander, ICE in L3 und Güterzug "in L2" hinterher, ein bisschen zusätzliche Kapazität drinnen sein. Und so weit ich das sehe, sind diese Details aus Entwicklungssicht wohl noch offen.
Zuletzt geändert von F. Schn. am 07.01.2024 00:04:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Achim Adams
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#793 Beitrag von Achim Adams »

Über kurz oder lang müssen die Fahrzeuggeräte ohnehin eingebaut werden. In welchem Betriebsverfahren ETCS streckenseitig läuft, ob Level 1 oder Level 3, ist dem Fahrzeuggerät ziemlich egal.

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Florian Ziese
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#794 Beitrag von Florian Ziese »

Es dürfte dann vor allem eine Kostenfrage sein, das EIU spart sich Achszähler, dafür müssen die EVU die Züge zusätzlich aufrüsten. So einfach ist die Zugvollständigkeit bei Triebwagen heute nicht, wenn immer mal wieder Fahrzeuge unbemerkt verloren gehen, um nicht mal erst zu den Güterzügen rüberzuschauen.

Wenn es wirklich voll auf Kapazität geht, dürfte Level 2 mit kurzen Blockabständen sogar etwas mehr bringen als Level 3. Bei letzterem muss es viel Sicherheitszuschläge geben (Positionsungenauigkeit, Meldeverzögerung insbesondere bei der Zugvollständigkeit). Bei der S-Bahn Stuttgart wurde das wohl geprüft und Level 2 erreicht gegenüber (theoretischem) Level 3 wohl minimale Vorteile.
Und auch auf hochbelasteten Hauptstrecken dürfte Level 2 eher vorne liegen, gerade bei Zugüberholungen etc.
Z.B. Güterzug steht im Überholgleis vorm "Ausfahrsignal", ICE fährt vorbei und sobald er die kritische Weiche freigefahren und den Achszähler für den Kurzblock dort dies meldet, kann die Weiche rum und bis dann der Güterzug wirklich angefahren ist, ist der ICE schon weit weg, in einem Abschnitt in dem längere Blockabschnitte nichts mehr ausmachen.
Mit Level 3 und Sicherheitspuffer wird die kritische (letzte) Weiche etwas später gestellt als bei Level 2.

Aber da muss man sich auch überraschen lassen, was die Zukunft bringt. Die Schweiz wollte ja auch mal zügig auf Level 2 umstellen, das sollte jetzt aktuell voll losgehen, bei grösseren Streckenmodernisierungen nur noch Level 2 ohne Signale. Nachdem ETCS-Euphorie aber gewichen ist, will man da erst mal nichts mehr davon wissen, geht nun eher in Richtung "2029 bauen wir eine Strecke um, damit unser ETCS-Wissen nicht zu stark verloren geht...". Zu teuer, aktuell noch ungelöste Problem in grossen Knoten und dann reduziert ETCS auch noch leicht die Streckenkapazität (zumindest in Schweizer Ausführung), von vielen neuen Relaisstellwerken, bei denen ETCS-Anpassungsprojekte auch aufgegeben wurden.
Immerhin hat die Schweiz den Vorteil, dass als Ersatz für die abgekündigten Signum- und ZUB-Ausrüstungen diese Streckenseitig auf ETCS-Balisen umgebaut wurden (wie in Deutschland bei Neigezügen auch), dadurch konnte inzwischen landesweit auch ETCS Level 1 LS auf die Balisen mit aufgespielt werden, so dass Neufahrzeuge nun alleine mit ETCS fahren können. Reduziert immerhin die Mehrkosten für die immer noch zu teuren ETCS-Ausrüstungen, wenn wenigsten Signum und ZUB wegfallen. Und wenn man dann in 10 Jahren die ETCS-Umstellung mal wieder ausgräbt, sind schon einige Fahrzeuge mehr umgerüstet und es müssen deutlich weniger Fahrzeuge umgebaut werden.
Nur eine einfache Umrüstung auf Level 1 LS wie in der Schweiz wird es in Deutschland wohl aktuell leider doch nicht geben dürfen.

Gruss
Florian

F(R)S-Bauer
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#795 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Hallo,

Der Preis der ETCS Fahrzeugausrüstung wird sicher sinken, was aber bei den Museums und Altbauloks trotzdem zum Problem wird.
Die PZB brauch einen Magneten und ein Bissel Strom, und irgendwo einen Kasten mit dem Schreiber.

Aber wo packe ich den Rechenknecht einer ETCS hin, und die Antenne? Und wo bekomme ich den Strom her?
Einen Display-Einbauort zu finden, dürfte noch das einfachste Problem sein. Aber so ein BR T9, BR74, oder ELNA haben überschaubaren Platz.
Also Rechnerschrank auf den Umlauf oder am Tender einen Schrank dran hängen über den Puffern?
Was ich so an Bilder sehe, sind das 2x19" Einschübe ohne Stromversorgung und Zusatzeinrichtungen.

Und viele private Vereine haben schon Probleme, ein PZB 90 zu finanzieren.

Gruß

Ralf

PS: Man sollte nicht auf die Verkehrswende hoffen. In D ist Verkehrswende eine Antriebswende. E-SuV und E-Ladestationen für E-Biks an den zu entwidmenden Eisenbahnnetz sind der Burner ...

Wolfgang E.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#796 Beitrag von Wolfgang E. »

F. Schn. hat geschrieben: 06.01.2024 23:50:38 Naja, was heißt durch. L1 LS ist ja "nach" der Entwicklung in ein Umsetzbarkeitsproblem gelaufen. (Wäre das einfach umsetzbar gewesen, wäre ETCS in kürzester Zeit deutschlandweit ausrollbar und deine Überlegungen sähen anders aus.)
Ich habe mir von Seiten der DB erklären lassen, dass L1 LS tot sei,weil mit seinem Einbau der Bestandschutz für die existierenden Anlagen hinfällig wäre und das EBA eine Neubewertung nach aktuellem Regelwerk verlangt. Das hat das BAV in der Schweiz wohl pragmatischer gesehen. Häufig kommt man dann zu anderen Grenzen für die Gleisfreimeldung und der Umbau kommt bei vielen Anlagen wohl einem wirtschaftlichen Totalschaden gleich. Ich bin mal gespannt, wie man mit jüngeren SpDrS60(0) Stellwerken umgehen wird, die das Pech haben, an einer zukünftigen ETCS-Strecke zu stehen. In Köln wären das Mülheim und Nippes. Aktuell gibt es dort keine Neubaupläne.

Viele Grüße
Wolfgang

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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#797 Beitrag von F(R)S-Bauer »

EBA-Motto: "Nur stehende Züge sind gefahrlose Züge, wir schaffen das!"

Aber letztendlich kann man Ihnen bei unserer Justiz nicht böse sein. In Deutschland werden primär immer Schuldige und Zahler gesucht, nicht Lösungen.

Wolfgang E.
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#798 Beitrag von Wolfgang E. »

F(R)S-Bauer hat geschrieben: 08.01.2024 18:19:29 In Deutschland werden primär immer Schuldige und Zahler gesucht, nicht Lösungen.
Nicht nur in der Justiz. Das läuft in Unternehmen oft genauso und führt auch dort dazu, dass die Leute sich mehr absichern als es dem Unternehmenserfolg zuträglich ist.

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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#799 Beitrag von Straßenbahnschaffner »

Moin Ralf,
F(R)S-Bauer hat geschrieben: 08.01.2024 18:19:29 Aber letztendlich kann man Ihnen bei unserer Justiz nicht böse sein. In Deutschland werden primär immer Schuldige und Zahler gesucht, nicht Lösungen.
schön, dass Du schon einen Schuldigen gefunden hast. Die Aufgabe der Justiz ist allerdings nicht, Lösungen zu finden, sondern allein die Fälle zu entscheiden, die bei ihr auf dem Tisch landen. Alles Andere ließe sich auch kaum mit dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbaren.

Beste Grüße
Hendrik

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F Sch
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Re: Diverse Fragen zur Technik der echten Bahn

#800 Beitrag von F Sch »

Bevor man sich um ETCS in Köln realistische Gedanken macht, müssen erstmal die ESTW Linker Rhein und Köln Hbf fertig werden. Die erste akute Strecke wird dann wohl die Revierbahn Mönchengladbach - Köln-Ehrenfeld sein. Nun ist Ehrenfeld aber ein steinaltes SIMIS-C und wird so wie es Stand heute aussieht, erstmal als DSTW neu geplant, bevor ETCS umgesetzt wird.

In Nippes und Mülheim wird es wohl erstmal kein ETCS geben, zumindest nicht bis ein Neubau durch ESTW/DSTW erfolgt ist. Vom Thema ETCS in den Stellbereichen Linker Rhein, Köln Hbf/Köln-Deutz hört man bisher auch nur von Plänen für den Stellbereich der S-Bahn, aber da reden wir eher von einer Idee, als dass es spruchreif wäre.

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