Was soll eigentlich diese Level 3 - ETCS nun konkret werden ?
Was ich weiß:
Bei Level 3 - ETCS soll komplett auf eine Ausrüstung der Strecke verzichtet werden, d.h. es soll z.B komplett keine Streckeneinrichtung, wie Gleisfreimelder mehr geben.
Alles soll dem Lokführer also auf seiner Bedeienoberfläche auf dem Triebfahrzeug angezeigt werden.
Nun zur konkreten Frage:
Woran liegt es, dass ETCS Level 3 noch nicht ausgerollt wird bzw. werden kann ?
Wie sich rausstellt, ist ETCS Level 3 nicht so vorteilhaft, wie es auf dem Papier scheint. Beispiel: Eine rundum mit streckenseitiger Gleisfreimeldung ausgerüstete Weiche kann (in erster Näherung) sofort nachdem sie freigefahren wurde von der nächsten Zugfahrt benutzt werden. Wenn wir stattdessen keine streckenseitige Gleisfreimeldung mehr haben, und nun die Position des letzten Zuges für die Entscheidung hernehmen, ob die Weiche frei oder belegt ist, dann hat man sofort verschiedene Ungenauigkeitsfaktoren da drin (Stichwort Ortungsungenauigkeit / "sichere Zuglänge"), die schlussendlich dazu führen, dass die Weiche länger als belegt gelten muss, als sie es bei streckenseitiger Gleisfreimeldung wäre. Das kostet Streckenleistungsfähigkeit. Das Endergebnis ist: Reiner Level 3 taugt nur für Regionalverkehrsstrecken mit wenig Verkehr, aber nicht für hochausgelastete Strecken.
Weil das alles so ist, wird man künftig allenfalls einen sogenannten "Hybrid Level 3" auf den Strecken einbauen: In den Bahnhöfen mit konventioneller Gleisfreimeldung, und nur auf der freien Strecke mit Gleisfreimeldung durch den Zug. Deshalb werden in der bald erscheinenden ETCS Baseline 4 auch die bisherigen ETCS-Level 2 und 3 abgeschafft und zu einem gemeinsamen "Level R" ("Radio") zusammengefasst. Grund ist: Level 2 und 3 waren bis auf das Thema Zugintegrität/Gleisfreimeldung schon immer funktionsgleich spezifiziert. Und dem Triebfahrzeugführer kann es egal sein, wie das Gleis freigemeldet wird. Das hat für ihn keine unterschiedlichen betrieblichen Handlungen zur Folge. Was der Triebfahrzeugführer bei Level 3 im Display sieht, war schon immer bis auf das Icon für den Level 3 exakt das gleiche wie bei Level 2.
Nabend,
wie kommst du darauf das es Level "R" geben wird statt Level 2+3?
Meines Wissens wurde durch die Intervention der EIUs diese Änderung abgebrochen, da dafür für die Änderung im ETCS auf Seiten des EIUs nicht genügend Kapazitäten vorhanden sind um alles umzustellen. Ebenso ist der Kostenrahmen für dieses Unterfangen nicht unerheblich. Wenn ich mich auch nicht irre soll das Thema mit Level "R" vom Tisch sein, da der Nutzen keinesfalls die Kosten rechtfertigt.
mein Stand ist auch, dass man den Plan verfolgt mit der TSI 2023/ETCS Baseline4 den Plan verfolgt, Level 2 und 3 zusammenzulegen, da es auf Fahrzeugseite (onboard) im Prinzip kaum Unterschiede zwischen beiden Leveln gibt (z.B. die zusätzliche Zugintegritätsüberwachung bei Level 3). Der ursprüngliche Plan sah vor daraus dann den neuen Level R zu machen. Der Vorschlag konnte sich aber nicht durchsetzen, so dass man jetzt einfach beide Level zukünftig Level 2 nennt. Siehe https://www.youtube.com/watch?v=i0qvHdyaGlY
Alwin Meschede hat geschrieben: ↑11.09.2023 17:34:16
Wenn wir stattdessen keine streckenseitige Gleisfreimeldung mehr haben, und nun die Position des letzten Zuges für die Entscheidung hernehmen, ob die Weiche frei oder belegt ist, dann hat man sofort verschiedene Ungenauigkeitsfaktoren da drin (Stichwort Ortungsungenauigkeit / "sichere Zuglänge"), die schlussendlich dazu führen, dass die Weiche länger als belegt gelten muss, als sie es bei streckenseitiger Gleisfreimeldung wäre. Das kostet Streckenleistungsfähigkeit.
Und bei beengten Verhältnisse auch Gleisnutzlänge, oder?
Alwin Meschede hat geschrieben: ↑11.09.2023 17:34:16
Wenn wir stattdessen keine streckenseitige Gleisfreimeldung mehr haben, und nun die Position des letzten Zuges für die Entscheidung hernehmen, ob die Weiche frei oder belegt ist, dann hat man sofort verschiedene Ungenauigkeitsfaktoren da drin (Stichwort Ortungsungenauigkeit / "sichere Zuglänge"), die schlussendlich dazu führen, dass die Weiche länger als belegt gelten muss, als sie es bei streckenseitiger Gleisfreimeldung wäre. Das kostet Streckenleistungsfähigkeit.
Und bei beengten Verhältnisse auch Gleisnutzlänge, oder?
Alwin Meschede hat geschrieben: ↑11.09.2023 17:34:16
Wenn wir stattdessen keine streckenseitige Gleisfreimeldung mehr haben, und nun die Position des letzten Zuges für die Entscheidung hernehmen, ob die Weiche frei oder belegt ist, dann hat man sofort verschiedene Ungenauigkeitsfaktoren da drin (Stichwort Ortungsungenauigkeit / "sichere Zuglänge"), die schlussendlich dazu führen, dass die Weiche länger als belegt gelten muss, als sie es bei streckenseitiger Gleisfreimeldung wäre. Das kostet Streckenleistungsfähigkeit.
Macht das so viel aus? Ist die Ungenauigkeit im Allgemeinen so groß? Man könnte ja hinter an Weiche eine Festdatenbalise zur Ortung installieren. Soweit ich weiß, werden Festdatenbalisen auch bei Level 3 eben für die Ortung verbaut.Selbst bei einem 700 m langen Zug kann doch die Ungenauigkeit noch nicht so groß sein, dass das (außer bei einem sehr langsam fahrenden Zug) so viel ausmacht, oder?
Natürlich kann man jetzt diskutieren, ob eine Balise so viel besser ist als ein Achszähler, aber formal wäre es doch noch Level 3.
Nachzugler hat geschrieben: ↑19.09.2023 18:09:21
Macht das so viel aus? Ist die Ungenauigkeit im Allgemeinen so groß?
Ein Zitat dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/ETCS_Level_3#Kapazit%C3%A4t hat geschrieben:
Gegenüber der Gleisfreimeldung durch Achszähler erfolgt die Gleisfreimeldung durch ETCS vergleichsweise langsam bzw. spät, u. a. aufgrund der zyklisch versandten Position Reports, der dem vorlaufenden Zugintegritätsprüfung und diverser Schnittstellen. Dieser Effekt wird durch die zum Ausgleich des Vertrauensbereichs der Odometrie räumlich (und damit auch zeitlich) erst spätere Gleisfreimeldung noch verstärkt.
Das alles summiert sich wirklich zu beachtlichen Zeiten. Man muss sich vergegenwärtigen: In hochbelasteten Knotenbahnhöfen feilscht man inzwischen um jede Sekunde bei der Fahrstraßenbildezeit. Deshalb ist man weithin zu dem Konsens gekommen, dass die beste Lösung ein Hybrid-Ansatz wäre: Dort wo es auf Sekunden ankommt, macht man ortsfeste Gleisfreimeldung. Auf der freien Strecke lässt man es den Zug machen, um die Vorteile des Moving Blocks mitzunehmen.
