Ansage Freier Fahrweg

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
Nachricht
Autor
Takato
Beiträge: 40
Registriert: 26.04.2018 00:45:00

Re: Ansage Freier Fahrweg

#81 Beitrag von Takato »

Ja, die 418 gilt zwar nur für Fv, aber 418.4312 5 (8) schreibt da explizit "Signal nicht bedienbar". Wenn ich jetzt bei Fv wäre, würde die 408.48 wohl keine Gültigkeit für mich haben, sondern die 418 und da unterscheidet sich genau der Punkt gewaltig!
Scheint wohl wieder ein Punkt von "Unsere Regelwerke sind eindeutig" zu sein.
Uns wurde damals beigebracht dass "Kann das Signal Sh 1 oder Ra 12 (DV 301) nicht gezeigt werden," bezieht sich darauf, dass das Signal Sh 1/Ra 12 defekt ist und nicht, dass es garnicht erst vorhanden ist.
Also haben wir jetzt 2 gültige Regelwerke die quasi was unterschiedliches sagen, je nach EVU.

Benutzeravatar
F. Schn.
Beiträge: 6727
Registriert: 24.10.2011 18:58:26

Re: Ansage Freier Fahrweg

#82 Beitrag von F. Schn. »

Ronny hat geschrieben: 23.08.2023 21:43:03
F. Schn. hat geschrieben: 23.08.2023 18:38:48
Ronny hat geschrieben: 23.08.2023 11:20:58 Dazu kommt, daß es sich mir nicht erschließt, warum man für eine festgelegte Zugstraße unbedingt das Hauptsignal auf Fahrt stellen will
Naja, die "Frage" ist ja wohl offensichtlich.
Für mich nicht. Klär mich bitte auf!
Weil die Anzahl an Stellwerksbauformen, bei denen die Festlegung(sbedienung) von der Fahrstellung getrennt ist, sehr übersichtlich ist. Bei manchen EMechs ist das der Fall. Bei vielen Mechs. Aber das Gro der Stellwerke stellt die Signale relativ früh automatisch. Man kann dann Tricks und Kniffe anwenden, um das Signal trotzdem auf Halt zu belassen. Aber das sollte man sich wirklich gut überlegen, ob man das auch wirklich einfordert, weil man dadurch unter Umständen die Vorgehensweise an sich delegitimiert. Von der Frage, ob man Anzeigen hat, die einem den Zustand der Fahrstraße anzeigen, mal ganz zu schweigen, weil das dann wieder in die Vorschriften geht. Wo es geht, kann man das natürlich machen. Z.B. bei einem Gs I DR nur den Verschluss einer Fahrstraße nutzen. Aber wenn Jens an ESTW denkt, wird es da schon wirklich, wirklich eng.
Diese Signatur möchte folgendes bekannter machen: ZusiWiki · ZusiSK: Streckenprojekte · YouTube: Objektbau für Zusi · euirc: Zusi-Chat

Benutzeravatar
Ronny
Beiträge: 742
Registriert: 07.10.2010 20:23:39
Wohnort: Voßstraße 33–35

Re: Ansage Freier Fahrweg

#83 Beitrag von Ronny »

Gerade bei ESTW und Spurplan sehe ich das nicht so. Startsignal sperren, Zugstraße einstellen und gut. Und im ESTW sagt das Ruhelicht des FÜM alles, was man wissen will.


Takato hat geschrieben: 23.08.2023 22:13:02 Ja, die 418 gilt zwar nur für Fv, aber 418.4312 5 (8) schreibt da explizit "Signal nicht bedienbar". Wenn ich jetzt bei Fv wäre, würde die 408.48 wohl keine Gültigkeit für mich haben, sondern die 418 und da unterscheidet sich genau der Punkt gewaltig!
Scheint wohl wieder ein Punkt von "Unsere Regelwerke sind eindeutig" zu sein.
Die 418 hab ich nicht auf dem Rechner. Ich kriege sie aber auch gerade nicht geladen. Die Regelwerksdatenbank möchte mir wohl sagen, daß ich ins Bett gehen soll. „Signal nicht bedienbar“ ist ja aber nicht so weit weg von „Sh 1 / Ra 12 kann nicht gezeigt werden“.
Die 418 ist Betriebsregelwerk des EVU. Regio, Cargo und andere haben so etwas auch. Und dann gibt es eben noch das, was der Infrastrukturbetreiber zur Nutzung seiner Infrastruktur vorgibt. Das ist 408.48. Die gilt trotzdem, auch wenn das EVU ein eigenes Betriebsregelwerk hat.

Benutzeravatar
F. Schn.
Beiträge: 6727
Registriert: 24.10.2011 18:58:26

Re: Ansage Freier Fahrweg

#84 Beitrag von F. Schn. »

Dann brauchst du aber schon mal eine Spurplanstellwerk-Bauform, die bei gesperrtem Startsignal nicht sofort die Fahrstraße ablehnt.
Diese Signatur möchte folgendes bekannter machen: ZusiWiki · ZusiSK: Streckenprojekte · YouTube: Objektbau für Zusi · euirc: Zusi-Chat

Benutzeravatar
Ronny
Beiträge: 742
Registriert: 07.10.2010 20:23:39
Wohnort: Voßstraße 33–35

Re: Ansage Freier Fahrweg

#85 Beitrag von Ronny »

Gibt es denn so viele, die das tun? Oder anders gefragt: Welche sind das denn? Mir fällt da jetzt keins ein.

Takato
Beiträge: 40
Registriert: 26.04.2018 00:45:00

Re: Ansage Freier Fahrweg

#86 Beitrag von Takato »

"Kann nicht gezeigt werden" klingt für mich aber eher nach "Es ist da, kann aber nicht aktiviert werden" und nicht nach "es ist keines vorhanden", was dann wieder die 408.4813 sagt, wie zu handeln ist.
Es wäre alles so viel einfacher, wenn es wie bei Gesetzestexten die Kommentare gibt. Ja, teilweise gibt es diese bei den Änderungen, aber die werden ja regelmäßig gelöscht.

Oder wenn die Texte mal logischer geschrieben werden und z.B. definiert wird, was es bedeutet, wenn ein Signal nicht bedienbar ist oder nicht gezeigt werden kann.

fabian_mst
Beiträge: 37
Registriert: 19.03.2021 15:11:22

Re: Ansage Freier Fahrweg

#87 Beitrag von fabian_mst »

Ronny hat geschrieben: 23.08.2023 23:04:27 Gibt es denn so viele, die das tun? Oder anders gefragt: Welche sind das denn? Mir fällt da jetzt keins ein.
Bei SpDr60 (Lorenz wie Siemens) kann ich bei gesperrten Startsignal keine Fahratraße einstellen. Und damit sind bestimmt 80% der westdeutschen Dr-Stellwerke erschlagen.

Benutzeravatar
Ronny
Beiträge: 742
Registriert: 07.10.2010 20:23:39
Wohnort: Voßstraße 33–35

Re: Ansage Freier Fahrweg

#88 Beitrag von Ronny »

Takato hat geschrieben: 23.08.2023 23:42:37 "Kann nicht gezeigt werden" klingt für mich aber eher nach "Es ist da, kann aber nicht aktiviert werden"
Ja, richtig.
Du meintest, 418.4312 5 (8) schreibt „Signal nicht bedienbar“. Wenn Sh 1 / Ra 12 vorhanden ist, aber nicht funktioniert, dann ist es ja nicht bedienbar. Dann kann das vorhandene Sh 1 / Ra 12 nicht gezeigt werden.
Ich schaue mir morgen mal an, was da alles steht.

fabian_mst hat geschrieben: 23.08.2023 23:45:46Bei SpDr60 (Lorenz wie Siemens) kann ich bei gesperrten Startsignal keine Fahratraße einstellen. Und damit sind bestimmt 80% der westdeutschen Dr-Stellwerke erschlagen.
Hm, habe ich gerade im Hein gelesen. Das hatte ich anders in Erinnerung.

Benutzeravatar
Achim Adams
Beiträge: 1239
Registriert: 05.06.2004 23:06:03

Re: Ansage Freier Fahrweg

#89 Beitrag von Achim Adams »

Die Anzahl der Orte wo man tatsächlich in der Verlegenheit ist mittels Armhochhalten eine Zustimmung geben zu müssen, ist heute ohnehin verschwindend gering! Und auch dort wird man niemals mit Armhochhalten am Signal vorbeigelotst! Man erhält eine Zustimmung zur Rangierfahrt am Hauptsignal vorbei stets mündlich.

Entweder es gibt heute eine Signalisierung, oder es gibt Zugfunk! Bevor man sich die Mühe macht aufzustehen und das Fenster zu öffnen, bleibt man doch lieber mit seinem Hintern auf dem Stuhl und ruft den Tf einfach an!

Wir sprechen hier über eine heute sehr seltene und kaum noch gegebene Konstellation.

Rückblick: In Westdeutschland (DS-Bereich) galt ein einzelnes rotes Licht oder ein Formhauptsignal (damals Hp 0) nicht für Rangierfahrten. Erst zwei rote Lichter (damals Hp 00 oder die beiden roten Lichter des damaligen Sh 0) galten auch für Rangierfahrten als Haltsignal. Bei Formhauptsignalen reichte das Hochhalten eines Armes deswegen als Zustimmung damals vollkommen aus.

Ist Ostdeutschland (DV-Bereich) galt schon sehr frühzeitig auch das "normale" Hp 0 auch für Rangierfahrten, bereits frühzeitig wurden dort flächendeckend an Formhauptsignalen (im Gegensatz zum DS-Bereich, wo das meistens unbekannt war) ein Ra 12 angebracht. Da hat man nicht gespart.

Anekdote: in Koblenz-Lützel gab es einst einen Weichenwärter, der hat es darauf angelegt eine Rangierfahrt ohne ausdrückliche Zustimmung am Hauptsignal vorbei zu bekommen. Dann hat er ein Fass aufgemacht und den Tf ablösen lassen. Der hatte bald den Beinamen "der rote Baron". ("Pass auf, der rote Baron hat heute Dienst!") Leider leider hat der rote Baron es mal wieder drauf angelegt, als leider leider ein EBA-Beamter in anderer Sache im Bahnhof anwesend war, und das Theater live und in Farbe am Funk mitbekommen hat. Der EBA-Mann ist dann rauf aufs Stellwerk, und hat sich den roten Baron zur Brust genommen. Der "rote Baron" war daraufhin Geschichte, der hat nie wieder ein Stellwerk von innen gesehen.

Benutzeravatar
Stefan (TheShow2006)
Beiträge: 1519
Registriert: 08.08.2010 17:54:23
Aktuelle Projekte: Zusi 3 Professional/Hobby
Wohnort: Deutschland
Kontaktdaten:

Re: Ansage Freier Fahrweg

#90 Beitrag von Stefan (TheShow2006) »

In Hamburg-Eidelstedt fällt man auf, wenn man NICHT beim Hochhalten des Armes vom Ww am haltzeigenden Gruppenausfahrsignal vorbeifährt. Das Signal kann kein Sh1 zeigen und der Ww hat sein Fenster genau auf Höhe des Signals. Das sind die Eigenheiten, die dann von der Theorie abweichen, auch wenn es verboten ist.

Grüße

Lukas Rothmann
Beiträge: 108
Registriert: 15.04.2017 22:44:52
Wohnort: Rosenheim

Re: Ansage Freier Fahrweg

#91 Beitrag von Lukas Rothmann »

Ronny hat geschrieben: 23.08.2023 21:43:03
Wie schon gesagt, haben wir kein Verbotsregelwerk, sondern ein Gebotsregelwerk. Das heißt, was nicht erlaubt ist, das ist unzulässig. Das Regelwerk sagt nicht: „X, Y, Z ist verboten, den Rest darfste machen“. Es sagt: „X, Y, Z ist zu tun.“
Servus,

Aber wenn dem so ist, dass ich alles was ich tue nur darf, wenn es explizit irgendwo erlaubt ist, dann würde das wie an anderer Stelle bereits genannt in bestimmten Situationen schwierig werden.
Wie ist das in Österreich? Dort soll sich die Fahrdienstvorschrift ja relativ kurz halten wie oft gesagt wird, dementsprechend müssten ja dort wesentlich mehr Dinge oft einfach unklar sein.

So gesehen sind Fahrzeugbeschreibungen/Störlisten etc ja auch Regelwerke, nach denen ich mich richten muss. Es gibt aber oft Fahrzeugstörungen, bei denen einem die gegebenen Regelwerke keine Antwort geben. Soll ich das Fahrzeug dann stehen lassen und warten bis eine Regelwerksänderung kommt?

Wenn alles was nicht im Regelwerk steht verboten ist, dann müssten wir ja wirklich alles regeln. Genau dass führt doch dazu dass alles immer unübersichtlicher wird.
Als Beispiel sei nur der Ausfall der Führerraumanzeige der Fahrplanangaben genannt. Im BRW bei Regio sind das vier Seiten voller Text mit allen Szenarien: Ausfall vor oder während der Fahrt, Ersatz mit Tablet möglich ja/nein, sind La Einträge im betroffenen Abschnitt vorhanden ja/nein, BZ/auftraggebende Stelle erreichbar ja/nein, Ersatzfahrplan anwenden (die Geschwindigkeit hängt dann wieder von Bremshundertsteln, Streckenkunde etc)
Ich behaupte jetzt mal ganz frech dass der überwiegende Teil der Tf's bei Regio das ganze nicht bis ins Detail weiß wann was nötig ist und wann nicht. Verfehlt ein Regelwerk nicht bisschen seinen Sinn wenn es derart kompliziert wird dass es schwierig wird diese Regeln als Tf (in Situationen in denen man nicht gemütlich daheim das Regelwerk durchstöbern kann) alle im richtigen Moment im Zweifel sofort anzuwenden?

Grüße

Lukas

Melvin
Beiträge: 488
Registriert: 11.11.2020 14:33:30

Re: Ansage Freier Fahrweg

#92 Beitrag von Melvin »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33
Verfehlt ein Regelwerk nicht bisschen seinen Sinn wenn es derart kompliziert wird dass es schwierig wird diese Regeln als Tf (in Situationen in denen man nicht gemütlich daheim das Regelwerk durchstöbern kann) alle im richtigen Moment im Zweifel sofort anzuwenden?
Ich glaube, über den Punkt ist das Regelwerk der DB bereits hinweg. Für jede Regel gibts 5 Ausnahmen und dann noch Umstände, unter denen die Regel etwas anders
anzuwenden ist.

Hauptaufgabe des Regelwerks ist doch, wenns geknallt hat, dem Lokführer sagen zu können: Guck, diese Regel hast du übersehen und deswegen
darfst du jetzt in die Privatinsolvenz. Ätsch.

Grüße
Melvin

Benutzeravatar
Ronny
Beiträge: 742
Registriert: 07.10.2010 20:23:39
Wohnort: Voßstraße 33–35

Re: Ansage Freier Fahrweg

#93 Beitrag von Ronny »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33 Es gibt aber oft Fahrzeugstörungen, bei denen einem die gegebenen Regelwerke keine Antwort geben. Soll ich das Fahrzeug dann stehen lassen und warten bis eine Regelwerksänderung kommt?
Nein, bis die Hilfslok kommt. Oder die Störung wird eben nicht behoben, soweit das Beenden der Leistung damit möglich ist.

Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33 Wenn alles was nicht im Regelwerk steht verboten ist, dann müssten wir ja wirklich alles regeln. Genau dass führt doch dazu dass alles immer unübersichtlicher wird.
Ja.

Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33 Verfehlt ein Regelwerk nicht bisschen seinen Sinn wenn es derart kompliziert wird dass es schwierig wird diese Regeln als Tf (in Situationen in denen man nicht gemütlich daheim das Regelwerk durchstöbern kann) alle im richtigen Moment im Zweifel sofort anzuwenden?
Auch ja. Und nicht nur die Tf. Man hat die Problematik in Frankfurt erkannt und arbeitet daran. Ob und wann dabei etwas herumkommt, werden wir sehen.


Österreich (oder z. B. auch die Schweiz) unterscheidet von uns, daß man dort ein schutzzielorientiertes Regelwerk verwendet. Daher ist die österreichische Betriebsvorschrift (V3) deutlich schlanker. In Deutschland haben wir ein handlungsorientiertes Regelwerk.

Die Fahrdienstvorschriften (damals noch Mehrzahl) waren 1939 (das ist die älteste Ausgabe, die ich besitze) 271 Seiten stark. Da gab es noch keinen Gleiswechselbetrieb, keinen Zentralblock, keine Spurplanstellwerke, keine Achszähler. Auch das hat zur Vermehrung der Seitenzahl beigetragen.
Die aktuelle Fahrdienstvorschrift (408.01–06 und 408.48, gültig seit drei Tagen) ist ohne Aktualisierungstexte 546 Seiten stark.
Die aktuelle österreichische V3 ist 100 Seiten stark. Dazu kommen 28 Erläuterungen (also Erklärungen, wie Regel XY gemeint ist), die insgesamt 105 Textseiten stark sind (also ohne Deckblätter usw.)*.
Die Fahrdienstvorschriften der Schweiz (703 Seiten) sind damit nicht ohne weiteres vergleichbar, weil darin auch z. B. Signale und Bremsvorschriften enthalten sind.

* Aber: Z. B. wird im Gegensatz zu unserer FV (408.0402 und 0403) in der österreichischen V3 für das Anbringen von Merkhinweisen und Sperren auf die Bedienungsvorschriften verwiesen. Somit wird also auch Text auf andere Vorschriften verteilt. Dennoch kommt man nicht annähernd auf eine Seitenzahl wie bei uns.

Die zweite Eigenschaft eines Regelwerks ist entweder die Prozeßorientierung oder die Funktionsorientierung.
Beispiel für ein funktionsorientiertes Regelwerk ist das deutsche Regelwerk. Es ist gegliedert nach Funktionen, also nach zu erledigendem Thema, z. B. Fahrwegprüfung, Räumungsprüfugn usw. Je nachdem, was man gerade für das Durchführen der Zugfahrt tun will, schaut man in der entsprechenden Richtlinie (früher „Modul“), was nun gerade von einem verlangt wird. Das artet dann regelmäßig in Hin-und-her-blätter-Orgien aus, weil massenhaft auf andere Textstellen verwiesen wird.
Prozeßorientiert sind bspw. die Kontroll-Listen der Piloten in der Luftfahrt. Jeder Prozeß (Handlungsabfolge) ist vollständig von Anfang bis Ende beschrieben. Es wird nur umgeblättert, wenn das Seitenende erreicht ist – kein „siehe hier“, „siehe dort“. Das bedingt aber die Abstimmung der Liste auf die Umgebungsbedingungen, also z. B. die vorhandene Technik. Beispiel: Zugfahrt durchführen auf einem elektromechanischem Befehlsstellwerk, ein abhängiges Stellwerk muß mitwirken, keine selbsttätige Gleisfreimeldeanlage vorhanden, mechanische Vollschranke im Fahrweg, Ausfahrt aus dem Bahnhof auf die freie Strecke, eingleisig, Relaisblock, ohne Streckengleisfreimeldeanlage, keine Zugnummernmeldeanlage vorhanden. Und dann wird hintereinander jeder durchzuführende Arbeitsschritt aufgelistet. Arbeitsschritt 1 ausführen, erledigt, Arbeitsschritt 2 ausführen, erledigt, …
Das hat den Vorteil, daß das Ausführen der Arbeitsschritte so einfach wird, daß man nicht mehr viel nachdenken muß. Liest man von so einer Liste ab, gibt es keine Zeitverluste für das Suchen nach irgendwelchen weiteren zu beachtenden Regeln. Bei der Vielzahl an Techniken die wir haben, wird das aber eine Riesenmasse an Listen. Je kleinteiliger man das stückelt, um die Zahl der Listen zu reduzieren (also z. B. die Bedienung des Streckenblock in einer gesonderten Liste regeln), desto mehr nähert man sich wieder an unser heutiges funktionsorientiertes Regelwerk an. Es gilt also, einen Mittelweg zu finden.

Im Eisenbahningenieur-Kompendium gab es im vergangenen Jahr einen interessanten Artikel über die Problematik. Dort ist auch handlungsorientiertes und schutzzielorientiertes Regelwerk erklärt.

Benutzeravatar
Leif K.
Beiträge: 383
Registriert: 30.04.2023 10:33:53
Aktuelle Projekte: Fahrplaneditor lernen und verstehen
Wohnort: KKUZ (kennt das noch jemand?), am Wochenende EDG

Re: Ansage Freier Fahrweg

#94 Beitrag von Leif K. »

Ronny hat geschrieben: 24.08.2023 23:25:47
[…] Österreich (oder z. B. auch die Schweiz) unterscheidet von uns, daß man dort ein schutzzielorientiertes Regelwerk verwendet. Daher ist die österreichische Betriebsvorschrift (V3) deutlich schlanker. In Deutschland haben wir ein handlungsorientiertes Regelwerk.

[…]

Im Eisenbahningenieur-Kompendium gab es im vergangenen Jahr einen interessanten Artikel über die Problematik. Dort ist auch handlungsorientiertes und schutzzielorientiertes Regelwerk erklärt.
An jetzt wird die Diskussion dreifach interessant. Bitte gebt mir eine Denkpause bis morgen, hier steige ich gerne wieder mit ein :)
„Die Neugier steht immer an erster Stelle des Problems, das gelöst werden soll.“ (Galileo Galilei). Oder schlichter gesagt: Bei ehrlicher Neugier gibt es keine dummen Fragen.

Danke & Beste Grüße, Leif

Benutzeravatar
Ronny
Beiträge: 742
Registriert: 07.10.2010 20:23:39
Wohnort: Voßstraße 33–35

Re: Ansage Freier Fahrweg

#95 Beitrag von Ronny »

Eine Kleinigkeit hab ich noch.
Achim Adams hat geschrieben: 24.08.2023 01:16:21Rückblick: In Westdeutschland (DS-Bereich) galt ein einzelnes rotes Licht oder ein Formhauptsignal (damals Hp 0) nicht für Rangierfahrten. Erst zwei rote Lichter (damals Hp 00 oder die beiden roten Lichter des damaligen Sh 0) galten auch für Rangierfahrten als Haltsignal. Bei Formhauptsignalen reichte das Hochhalten eines Armes deswegen als Zustimmung damals vollkommen aus.
Und auch da bitte die Zustimmung zur Vorbeifahrt an einem Signal (das mit Sh 1 ausgerüstet ist) auch nicht vermischen mit der Zustimmung zum Bewegen von Fahrzeugen. Für Signale, die nur Hp 0 zeigen, war keine Zustimmung zur Vorbeifahrt erforderlich, da sie keinen Haltbegriff für Rangierfahrten darstellten. Also Formhauptsignal und Zustimmung durch Hochhalten eines Armes haben miteinander nichts zu tun.

Das Hochhalten des Armes (später „eines Armes“) ist eine Reichsbahn-Erfindung von 1970. Bei der Bundesbahn wurde das Hochhalten eines Armes (nicht „des Armes“) irgendwann nach 1990 aufgenommen. Vorher gab es nur mündliche Zustimmung oder Signal Sh 1. Für die Vorbeifahrt an Wartezeichen (Ra 11) durfte außerdem „Herkommen“ und „Wegfahren“ gegeben werden. DS 408 von 1984, § 81:

Bewegen von Fahrzeugen
Bild

Vorbeifahrt an Signalen
Bild

Signale Sh 1 und Ra 11
Bild
Interessant sind die Ausführungen beim Signal Ra 11: Lichtsignal Sh 1 ist an letzter Stelle genannt. Und es wird nur von „Auftrag des Wärters zu Rangierfahrt“ geschrieben. Den Auftrag zur Rangierfahrt gab aber der Rangierleiter. Nur bei unbegleiteten Rangierfahrten (also ohne Rangierleiter) hat der Ww die Funktion des Rangierleiters übernommen und den Fahrauftrag erteilt. Das Sh 1 hat erst 2006 bei der großen Änderung an die erste Stelle gewechselt. Und das Signal Ra 11 bedeutet bis heute „Auftrag des Wärters zur Rangierfahrt abwarten“, obwohl kein Wärter mehr einen Auftrag gibt. Das hängt wohl an einer Änderung der ESO.


DR, DV 408 von 1970, § 13:

Hochhalten des Armes (erst ab 2006 auch im DV-Bereich „eines Armes“) …
Bild

Lukas Rothmann
Beiträge: 108
Registriert: 15.04.2017 22:44:52
Wohnort: Rosenheim

Re: Ansage Freier Fahrweg

#96 Beitrag von Lukas Rothmann »

Ronny hat geschrieben: 24.08.2023 23:25:47 Österreich (oder z. B. auch die Schweiz) unterscheidet von uns, daß man dort ein schutzzielorientiertes Regelwerk verwendet. Daher ist die österreichische Betriebsvorschrift (V3) deutlich schlanker. In Deutschland haben wir ein handlungsorientiertes Regelwerk.
Wo wird das festgelegt?

Grüße

Playmobil1245
Beiträge: 58
Registriert: 20.01.2021 15:39:41
Wohnort: An der KBS 459

Re: Ansage Freier Fahrweg

#97 Beitrag von Playmobil1245 »

Ronny hat geschrieben: 24.08.2023 23:25:47
Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33 Es gibt aber oft Fahrzeugstörungen, bei denen einem die gegebenen Regelwerke keine Antwort geben. Soll ich das Fahrzeug dann stehen lassen und warten bis eine Regelwerksänderung kommt?
Nein, bis die Hilfslok kommt. Oder die Störung wird eben nicht behoben, soweit das Beenden der Leistung damit möglich ist.
Und hier haben wir genau das Problem. Stillstand um des Stillstands willen. Es gibt für mich keine logische Begründung ein Fahrzeug betriebsunfähig stehen zu lassen, nur weil die durchzuführende Lösung des Problems nicht irgendwo auf Papier niedergeschrieben steht. Das ganze behindert nur den Betrieb, setzt Fahrgästen (wenn es denn ein Pz ist) unnötigen Stress aus usw. usw..
Ronny hat geschrieben:
Lukas Rothmann hat geschrieben: Wenn alles was nicht im Regelwerk steht verboten ist, dann müssten wir ja wirklich alles regeln. Genau dass führt doch dazu dass alles immer unübersichtlicher wird.
Ja.
Da sind sich denke ich mal alle einer Meinung bei.
Ronny hat geschrieben:
Lukas Rothmann hat geschrieben: 24.08.2023 20:16:33 Verfehlt ein Regelwerk nicht bisschen seinen Sinn wenn es derart kompliziert wird dass es schwierig wird diese Regeln als Tf (in Situationen in denen man nicht gemütlich daheim das Regelwerk durchstöbern kann) alle im richtigen Moment im Zweifel sofort anzuwenden?
Auch ja. Und nicht nur die Tf. Man hat die Problematik in Frankfurt erkannt und arbeitet daran. Ob und wann dabei etwas herumkommt, werden wir sehen.
Man hat die Problematik in Frankfurt erkannt - aha. Wir wissen alle was dabei rauskommt oder? Es wird noch komplizierter, noch unübersichtlicher und noch irrationaler. Ich sehe in KEINEM Regelwerk eine Vereinfachung/Verbesserung der Lage. Es wird alles nur komplizierter und undurchschaubare - hat Frankfurt/Mainz (wer auch immer im jeweiligen GB dafür zuständig ist) das Problem wirklich erkannt? Ich denke eher weniger.

Ronny hat geschrieben: Die zweite Eigenschaft eines Regelwerks ist entweder die Prozeßorientierung oder die Funktionsorientierung.
Beispiel für ein funktionsorientiertes Regelwerk ist das deutsche Regelwerk. Es ist gegliedert nach Funktionen, also nach zu erledigendem Thema, z. B. Fahrwegprüfung, Räumungsprüfugn usw. Je nachdem, was man gerade für das Durchführen der Zugfahrt tun will, schaut man in der entsprechenden Richtlinie (früher „Modul“), was nun gerade von einem verlangt wird. Das artet dann regelmäßig in Hin-und-her-blätter-Orgien aus, weil massenhaft auf andere Textstellen verwiesen wird.
Prozeßorientiert sind bspw. die Kontroll-Listen der Piloten in der Luftfahrt. Jeder Prozeß (Handlungsabfolge) ist vollständig von Anfang bis Ende beschrieben. Es wird nur umgeblättert, wenn das Seitenende erreicht ist – kein „siehe hier“, „siehe dort“. Das bedingt aber die Abstimmung der Liste auf die Umgebungsbedingungen, also z. B. die vorhandene Technik. Beispiel: Zugfahrt durchführen auf einem elektromechanischem Befehlsstellwerk, ein abhängiges Stellwerk muß mitwirken, keine selbsttätige Gleisfreimeldeanlage vorhanden, mechanische Vollschranke im Fahrweg, Ausfahrt aus dem Bahnhof auf die freie Strecke, eingleisig, Relaisblock, ohne Streckengleisfreimeldeanlage, keine Zugnummernmeldeanlage vorhanden. Und dann wird hintereinander jeder durchzuführende Arbeitsschritt aufgelistet. Arbeitsschritt 1 ausführen, erledigt, Arbeitsschritt 2 ausführen, erledigt, …
Ich finde ein gutes Beispiel für sowas ist eine Fahrzeugstörliste. Die der 294 (493.0294Z02) finde ich z.B. gelungen. Vorbedingungen werden genannt die erfüllt sein müssen, dann geht man in ein Ablaufdiagramm mit "Ja" und "Nein". Sowas könnte man bei zig verschiedenen anderen Störungen zu Vereinfachung mit an die Hand geben.
Lukas Rothmann hat geschrieben: Wo wird das festgelegt?
Vermutlich in irgendeinem, für den normalen Tf unbekannten oder nicht zugänglichem, Regelwerk. In den Vorbemerkungen steht (meine ich zumindest) nichts.

Grüße

Benutzeravatar
F Sch
Beiträge: 648
Registriert: 03.10.2016 01:16:10
Wohnort: Köln

Re: Ansage Freier Fahrweg

#98 Beitrag von F Sch »

Nun das Problem der handlungs- und funktionsorientien Struktur der Fahrdienstvorschrift soll sich ja mittel- bis langfristig erledigen, wenn (oder besser wann?) die Umstellung auf die "digitale" Fahrdienstvorschrift kommt und eine schutzziel- und prozessorientierte Struktur eingeführt wird. Interessant ist hierbei auch der Vorschlag die Trennung zwischen freier Strecke und Bahnhof aufzuheben, was aber erst funktionieren wird, wenn die technischen Rahmenbedingungen flächendeckend vorhanden sind. Erste Gehversuche diesbezüglich kann man sich ab 2025 zwischen Köln Hbf und Köln-Messe/Deutz anschauen, oder bereits heute zwischen Ediger-Eller und Cochem. Dort werden/wurden Teile der freie Strecke als Bahnhofsteil in einen Bahnhof integriert. Die betrieblichen Vorteile hierbei liegen auf der Hand.

Wolfgang E.
Beiträge: 611
Registriert: 28.10.2021 12:16:41
Aktuelle Projekte: https://github.com/machinae-vectoriae-ductor/
Wohnort: Köln
Kontaktdaten:

Re: Ansage Freier Fahrweg

#99 Beitrag von Wolfgang E. »

Playmobil1245 hat geschrieben: 25.08.2023 09:45:40 Und hier haben wir genau das Problem. Stillstand um des Stillstands willen. Es gibt für mich keine logische Begründung ein Fahrzeug betriebsunfähig stehen zu lassen, nur weil die durchzuführende Lösung des Problems nicht irgendwo auf Papier niedergeschrieben steht. Das ganze behindert nur den Betrieb, setzt Fahrgästen (wenn es denn ein Pz ist) unnötigen Stress aus usw. usw..
Früher waren Tf ausgebildete Schlosser oder Elektriker. Heute reicht der Hauptschulabschluss. Daraus ergibt sich auch, was man den Tf an Hilfshandlungen zumuten kann. Die erwähnten Störungslisten gibt es auf jeden Fall für jede der großen Bundesbahn-Baureihen. Sprich für die 103.1 gibt es eins, für die 103.0 eher nicht. Wenn Du für ein und dieselbe Baureihe eine alte Unterlage mit der neuesten vergleichst, findest Du in den alten Unterlagen solche Anweisungen wie "Hilfsschütz Hauptschalter unterkeilen, Achtung Hauptschalter lässt sich nicht mehr ausschalten" und in der neuen Störungsliste steht an dieser Stelle "Hilfslok". Das ist halt der Preis für die Kurzausbildung zum Tf. Mit neueren Baureihen verschwindet dieser Unterschied aber immer mehr, so dass es vielleicht tatsächlich der richtige Weg ist.
Schlimmer finde ich, dass die Hilfslokstellung so aufwändig geworden ist. Früher wurde zur Not ein Güterzug auf einem Ausweichgleich abgestellt und seine Lok hat den liegengebliebenen Zug von der Strecke geholt. Jetzt muss man halt auf die Lok des jeweiligen Unternehmens warten und es gäbe vielleicht auch zu wenig Ausweichgleise. Früher ist ein und derselbe Tf meist alle Zuggattungen gefahren, so dass bei einem Personalausfall mit den Bereitschaftspersonalen einfach Ersatz gestellt werden konnte. Heute gibt es nicht mal mehr Bereitschaften. Die Privatisierung und Aufteilung hat halt auch Nachteile. Vielleicht werde ich aber auch alt und fange an, von der guten alten Zeit, in der natürlich lange nicht alles gut war, zu erzählen.

Viele Grüße Wolfgang

Wolfgang E.
Beiträge: 611
Registriert: 28.10.2021 12:16:41
Aktuelle Projekte: https://github.com/machinae-vectoriae-ductor/
Wohnort: Köln
Kontaktdaten:

Re: Ansage Freier Fahrweg

#100 Beitrag von Wolfgang E. »

F. Schö. hat geschrieben: 25.08.2023 11:26:33 Interessant ist hierbei auch der Vorschlag die Trennung zwischen freier Strecke und Bahnhof aufzuheben, was aber erst funktionieren wird, wenn die technischen Rahmenbedingungen flächendeckend vorhanden sind. Erste Gehversuche diesbezüglich kann man sich ab 2025 zwischen Köln Hbf und Köln-Messe/Deutz anschauen, oder bereits heute zwischen Ediger-Eller und Cochem. Dort werden/wurden Teile der freie Strecke als Bahnhofsteil in einen Bahnhof integriert. Die betrieblichen Vorteile hierbei liegen auf der Hand.
Da bin ich sehr gespannt. In vielen anderen Ländern gibt es den Unterschied ja auch nicht. Der Bf Köln Hbf geht demnächst von Deutz bis zum Betriebsbahnhof. Zwischen dem jetzigen Hbf und Bbf befindet sich meines Wissen keine freie Strecke und zwischen Hbf und Deutz ein Blockabschnitt mit ca. 400 m. Da ist beispielsweise zwischen Brühl Pbf und Gbf mehr Gleislänge, was ja bei dem Unfall auch prompt zur falschen Annahme von freier Strecke geführt hat. Der Vorteil in Köln soll sein, dass man über die Brücke rangieren kann. Das kann ich mir bei größeren Entfernungen nur schwer vorstellen. Die Streckenleistungsfähigkeit würde doch unter Rangierfahrten mit 25 km/h sehr leiden. Das würde also eine wesentlich größere Umstellung als jetzt bei Bau des ESTW Köln Hbf. Vielleicht entfällt dann ja auch der Unterschied zwischen Zug- und Rangierfahrt, wenn ETCS L2/3 erst mal flächendeckend eingeführt ist. Das scheint mir aber sehr in der Zukunft zu liegen.

Viele Grüße Wolfgang

Antworten