Betriebliche Fragen

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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lukmilei
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Re: Betriebliche Fragen

#61 Beitrag von lukmilei »

Hier sind ja viele schlaue Köpfe unterwegs. Ich würde euch gerne einmal einen Fall präsentieren, über den ich schon in meiner Ausbildung nachgedacht habe.

Der Zug 1 bekommt am 1. Signal Zs 7. Pflichtbewusst fährt der Tf auf Sicht bis zum Signal 2. Das Signal 2 zeigt Hp 1. Selbstverständlich fährt der Tf aber noch weitere 400 m auf Sicht. Wir haben damals gelernt, in diesen 400m könnte noch z.B. eine einzelne Lok stehen, die den Signalhaltfall-Kontakt von Signal 2 noch nicht befahren hat.
Genau so ist es auch in unserem kleinen Beispiel. Die Lok mit ihrer Zugnummer 2 ist kurzzeitig liegengeblieben. Nachdem Zug 1 das Signal 2 mit Hp 1 passiert, fährt Zug 2 weiter und über den Haltfall-Kontakt. Nun befinden sich beide Züge in einem Blockabschnitt. Zug 2 bleibt jetzt aber wegen eines erneuten Defekts 5 km hinter dem Signal liegen. Zug 1 hat das fahren auf Sicht natürlich längst beendet und fährt auf Zug 2 auf.

Kann das so passieren, oder gibt es aus dem Fdl Bereich eine Regelung, die diese Situation verhindert?

Viel Grüße
Lukas

Alwin Meschede
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Re: Betriebliche Fragen

#62 Beitrag von Alwin Meschede »

lukmilei hat geschrieben: 19.08.2023 19:24:14 Kann das so passieren, oder gibt es aus dem Fdl Bereich eine Regelung, die diese Situation verhindert?
lukmilei hat geschrieben: 19.08.2023 19:24:14 Der Zug 1 bekommt am 1. Signal Zs 7.
Da war dann schon der Fehler. Zusätzlich zu dem Blockabschnitt zwischen Signal 1 und 2 muss auch das 400-Meter-Einfahrloch auf Freisein geprüft worden sein. Das Einfahrloch ist ein erweiterter Gleisbereich des Blockabschnitts.
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F. Schn.
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Re: Betriebliche Fragen

#63 Beitrag von F. Schn. »

Müsste theoretisch möglich sein. Aber soweit ich das sehe, wird das als vernachlässigbares Restrisiko eingestuft. Es muss halt wirklich einiges zusammen kommen.

1. Zs7 darf nicht bedient werden, wenn das Gleis belegt ist, sondern nur, wenn frei sein nicht sichergestellt werden kann. Zug 2 muss also verloren gegangen sein. (Was möglich ist.)
2. Das Loch an Blocksignalen beträgt (aus dem Hinterkopf) 100 m. An Einfahrsignalen gibt es meistens kein Loch. Und wenn es doch eines gibt, hat das vorherige Signal normalerweise kein Zs7. Und wenn doch ist das Loch normalerweise genau 200 m groß. Man muss also eine sehr spezielle Situation erwischen.
3. Die Sichtweite muss z.B. Aufgrund von Kurven oder so so gering sein, dass der Tf von Zug 1 den Zug 2 vom Hauptsignal aus nicht sieht.
4. Nachdem Zug 1 das Signal 1 passiert hat, fahren Zug 1 und Zug 2 hintereinander her. Sobald die Kurve endet, und die Sichtweite höher wird, sieht Zug1 den vorausfahrenden Zug 2 sehr schnell und wird seinen Zug anhalten.
5. Zug 2 muss ziemlich genau gehalten haben und ziemlich kurz sein, sonnst werden zusammen mit 2, 3 und 4 die Entdeckungschancen relativ groß.
6. Zug 2 muss aus irgend einem Grund erneut stehen bleiben, ohne dass Zug 1 dies tut.
7. Wenn irgendwo hinter Signal 2 ein Signal 3 steht, fällt die Betriebsgefahr mit Sicherheit spätestens dort auf, meistens dadurch, dass Zug 2 das Signal 3 vor Zug 1 auf Halt stellt, zwar direkt vor der Nase und vermutlich mit PZB-2000Hz-Zwangsbremsung, aber er steht dann erst mal.
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fabian_mst
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Re: Betriebliche Fragen

#64 Beitrag von fabian_mst »

Was zusätzlich relevant ist:
Wenn es sich um ein Sbk handelt. muss der vorausfahrende Zug mindestens auf der Räumungsprüfstelle (zB nächster Bahnhof) angekommen sein, bevor ersatzweise auf Sicht gefahren werden darf. Außerdem muss sich bei einer Räumungsprüfung das Esig bspw. in Haltstellung befinden und diese Feststellung ist stets möglich.

Wenn auf Zs 7 gefahren wurde und sich hinter dem nächsten Sbk noch ein Zug befindet, hat der Fahrdienstleiter sowieso einen schweren Fehler gemacht (keine Räumungsprüfung und wenn nicht möglich keine Verlassensfeststellung).

Wenn es sich um ein Einfahrsignal handelt am Ende des betroffenen Abschnittes wurde mittels Räumungsprüfung festgestellt, dass der vorausfahrende Zug an der Signalzugschlussstelle vorbeigefahren ist, dies schließt den Gefahrpunktabstand mit ein.

Bei den 400 Meter zusäzlich auf Sicht geht es also eher darum, dass die beispielsweise gestörte Gleisfreimeldeanlage eines Blockabschnittes nicht nur den Abschnitt zwischen Sbk und Sbk oder Sbk und Esig auf Freisein prüft, sondern auch den Gefahrpunktabstand dahinter, wo theoretisch noch ein verlorener Wagen stehen könnte. Niemals aber ein ganzer Zug, dann hätte der Fdl die Bedingungen für die ersatzweise Fahrt auf Sicht nicht erfüllt. Es geht also weniger um den Haltfallabschnitt.

Bei Fahrt auf Sicht mit Zs 7 oder Befehl 12 Grund Nummer 1 hat der Abschnitt einschließlich Gefahrpunktabstand/D-Weg also zu 99,9... % frei zu sein, lediglich das letzte Quentchen zu 100 % Sicherheit fehlt

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Achim Adams
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Re: Betriebliche Fragen

#65 Beitrag von Achim Adams »

Dann ändern wir mal ein klein wenig die Ausgangsbedingungen:
Der Zug hat am Sbk mit wgwgw Mastschild gehalten. Der Fdl ist noch mit dem Havaristen im Bahnhof beschäftigt und ist nicht erreichbar. Der Tf entschließt sich, am Sbk vorbei und weiter auf Sicht zu fahren.
Und ja, laut Regelwerk hätte er am Esig auch bei Fahrtstellung anhalten müssen, diese Regel hat er gerade vergessen.

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Zimmer
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Re: Betriebliche Fragen

#66 Beitrag von Zimmer »

Soweit ich mich an damals (TM) noch richtig erinnere, war genau dieser Fall der Grund dafür, daß beim Fahren ohne Hauptsignal, wenn die Räumungsprüfung nicht bestätigt werden konnte, das Fahren auf Sicht über die gesamten zwei folgenden Zugfolgeabschnitte anzuordnen war (außer, der zweite Zugfolgeabschnitt wäre innerhalb eines Bahnhofs oder einer Abzweig- oder Überleitstelle, dann nur bis zum Einfahr- bzw. Blocksignal). Dieses Fahren auf Sicht über zwei Zugfolgeabschnitte könnte sich auch heute noch in den Fahrdienstvorschriften, geheimer Teil, befinden. Experten vor.

Grüße

Johannes

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F. Schn.
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Re: Betriebliche Fragen

#67 Beitrag von F. Schn. »

Selbstblocksinale der Bauform Selbstblock sind Schaltkästen (solche kleinen Blechbüchsen) oder auch Achteckige Betonhäuser, die ihre Sicherungslogik lokal haben. Die Vorläufer auf der S-Bahn Berlin waren ohne Eingriff vom Stellwerk aus und liefen ähnlich zum Automatikblock vollautark. Aber der echte Westdeutsche Selbstblock besitzt zur Steuerung (vereinfacht gesagt) eine kleine primitve "Fernsteuerung", bei der jeder Selbstblock eine Ader hat, die er im Multiplexverfahren unterschiedlich auswertet. Über diese kann der Fdl Zs1 geben und noch ein Zweites Kommando senden (welches ist Bauformabhängig), sowie sich den Zustand von Signal und Gleis anzeigen lassen.
Durch verschiedene Schwierigkeiten in diesem System kann die Haltstellung eines Signals auf dem Stelltisch unter bestimmten Umständen nicht sicher angezeigt werden. Insbesondere ist auch möglich, dass das Hängen bleiben eines Signales in Fahrtstellung eine Geisterbelegung des vorherigen Gleisabschnittes verursachen kann bzw. könnte. (Ist an der Stelle recht kompliziert und ich vereinfache hier mal wieder etwas.)
Die Signaltechnik lässt in so einem Fall keine Fahrten zu. Vorherige Selbstblocksignale bleiben auf Halt und der AspM bleibt an und Ausfahrten aus dem Bf sind so verhindert. Aber der Fehler kann eben auch im folgenden Blockabschnitt liegen, daher ist es nötig, die Züge bei Selbstblock 2 Blockabschnitte auf Sicht fahren zu lassen, anstatt einen wie üblich.

Ich glaube die Regel ist es, die du gerade im Kopf hast.
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Lonestarr
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Re: Betriebliche Fragen

#68 Beitrag von Lonestarr »

Zimmer hat geschrieben: 20.08.2023 22:08:10 Dieses Fahren auf Sicht über zwei Zugfolgeabschnitte könnte sich auch heute noch in den Fahrdienstvorschriften, geheimer Teil, befinden. Experten vor.
Falls Du damit die 408.01-06 meinst, dann weiß ich nicht, was daran geheim ist. Die gibt es nach wie vor im öffentlichen Internet.

Die angefragte Regel steht in den Modulen .0245 bis .0248 jeweils in Abschnitt 6 (1) c) 4. Für Selbstblock mit und ohne ESTW gilt:
Der Fahrdienstleiter muss den Triebfahrzeugführer des nächsten Zuges, der den Zugfolgeabschnitt befahren soll, beauftragen, auf Sicht zu fahren, und zwar
- wenn bis zur nächsten Zugmeldestelle nur ein Zugfolgeabschnitt vorhanden ist, im betroffenen Zugfolgeabschnitt,
- in allen übrigen Fällen im betroffenen und im nächsten Zugfolgeabschnitt.
Für Zentralblock mit und ohne ESTW mit einer leichten, aber entscheidenden Abweichung:
Der Fahrdienstleiter muss den Triebfahrzeugführer des nächsten Zuges, der den Zugfolgeabschnitt befahren soll, beauftragen, auf Sicht zu fahren, und zwar
- bei Zentralblock mit Achszählern oder wenn bis zur nächsten Zugmeldestelle nur ein Zugfolgeabschnitt vorhanden ist, im betroffenen Zugfolgeabschnitt,
- allen übrigen Fällen im betroffenen und im nächsten Zugfolgeabschnitt.
Das Fahren auf Sicht über zwei Zugfolgeabschnitte ist mithin nur bei Selbstblock und bei Zentralblock mit Gleisstromkreisen erforderlich. Warum das so ist, weiß ich jetzt auch nicht. Mir ist aber so, daß das mit den Grenzen der Freimeldeabschnitte in Altanlagen zu tun hat.

Gruß Thomas

Maxx
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Re: Betriebliche Fragen

#69 Beitrag von Maxx »

Bei meiner Fahrt mit der S5 Hannover-Paderborn-Hannover fällt mir auf, dass sowohl in Hameln als auch in Altenbeken m.E. "betriebsbehindernde" Halteplätze angefahren werden, d.h. in Rtg. Paderborn wird in Altenbeken Gleis 1 statt Gl. 2 angefahren und in der Gegenrichtung Gl. 21 statt Gl. 1 und das mit jeweils 40 km/h. In Hameln halten die Züge jeweils auf dem Gegengleis und haben dadurch ebenfalls Geschwindigkeitseinschränkungen bei der Ein- und Ausfahrt.

Mich würden die Hintergründe für diese Fahrpläne interessieren.

EDIT: In Hameln hängt das vermutlich mit dem Kuppeln und Flügeln einzelner Züge zusammen.

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Konstantin E.
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Re: Betriebliche Fragen

#70 Beitrag von Konstantin E. »

In Hameln hängt es mit den "drei" S-Bahnen zusammen:
1. S5 bis Paderborn:
Fahrt über Gl.3, hinterer Zugteil endet in Hameln, bleibt im nördlichen Abschnitt stehen
Rückleistung von Paderborn fährt auf Hsig bis zum Zsig. Vereinigung mit Wartendem Zugteil aus der Gegenleistung
2. S5 bis Hameln (in der HVZ bis Bad Pyrmont)
Wende auf Gl.2
3. S51 (Sprinter) bis Hameln
Wende auf Gl.1

Holger Lürkens
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Re: Betriebliche Fragen

#71 Beitrag von Holger Lürkens »

In Altenbeken hat man das so geregelt, damit die Reisenden im Regelfall keine Gleise zum Zug überschreiten müssen.

Holger

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Carsten Hölscher
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Re: Betriebliche Fragen

#72 Beitrag von Carsten Hölscher »

In Altenebeken ist ja ein höhengleicher Zugang über Gleis 1 zu Gleis 2. Wenn also ein Reisezug in Gleis 2 steht, kann man Gleis 1 eh nicht nutzen (außer es rennt einer hin und sperrt ab), also kann man gleich kundenfeundlich nach 1 fahren.
Ich tippe mal, dass man deswegen auch gerne durch 21 fährt, wenn das frei ist, da kann keiner unter die Räder kommen. (wie der Übergang an Gleis 1 für durchfahrende Züge gesichert wird, weiß ich nicht).

Carsten

Maxx
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Re: Betriebliche Fragen

#73 Beitrag von Maxx »

Danke, das macht Sinn. Ich habe mich nur über die elend lange Schleichfahrt insbesondere aus Altenbeken in Rtg. Langeland gewundert.

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