Eisenbahnen in England

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Andreas Hänsch
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Eisenbahnen in England

#1 Beitrag von Andreas Hänsch »

Servus,

kennt sich jemand mit dem englischen Eisenbahnsystem aus? 2015 war ich in Englad, sah im Süden die RHDR und bin mit der NYMR mitgefahren. Jetzt war ich im Februar wieder in England und Schottland. Ich sah mir von der NYMR den Bahnhof Gothland (Hogsmeade bei Harry Potter) genauer an. Ich sah wie die Engländer Gleissperren lösten und Stellstangen für Weichen. Ein befreundeter Eisenbahner klärte mich auf, dass Stellstangen 1909 das letzte Mal in Deutschland benutzt wurden. Ah alles klar.

Meine Fragen:
Wie wird auf der Insel gebremst? Ich sah nur Vakuumbremsen.
Gibt es einfache ortsgestellte Weichen? Ich sah nur Weichen mit Stellhebel in der Nähe. Auch auf Videos.
Was nutzen die Engländer bei Dampfloks als Druckausgleich? Mir kommt es auf Videos vor, wie wenn der Regler offen bleibt.
Das Tooken System wird aber nur auf Museumsbahnen genutzt. Oder?
Ich weiß, es fahren englische Loks in Deutschland rum. Hat es deutsche Loks nach Englad verschlagen und fahren diese? Ich habe mal gelesen, es kamen V100 West auf die Insel und eine 01 wurde von der Insel geholt und aufgearbeitet. Wenn deutasche Loks dort fahren, wie funktioniert das mit dem kleineren Lichtraumprofil?

Ich hatte mit einem Gartenbahner geschrieben, der regelmäßig bei der RHDR arbeitet. er klärte mich auf, wie das bei der Lilliputbahn gehandahbt wird. Es gibt nur Regler mit Schiebern. Bei Fahrten "ohne" Dampf wird nur ein kleiner Schieber geöffnet und es kommt wenig Dampf zu den Zylindern. Man nennt es Schmierdampf. Kurz vor dem Halt wird der Regler ganz geschlossen und dann arbeitet ein Luftsaugeventil. Die Miniloks fahren auch nur mit 10% Füllung.

England das Mutterland der Eisenbahn. Aber irgendwie kommt es mir vor, wie wenn sich die Engländer ausruhten und die Technik noch wie zu Beginn der Eisenbahn ist.
Übrigens die NYMR hat auf Youtube Streckenvideos veröffntlicht für Tf zur Streckenkunde mit fahrtechnischen Hinweisen zur Strecke. Auch gibt es etliche Führerstandsvideos von Dampfloks.

Viele Grüße
Andreas

Nachtrag: der Linksverkehr mit einem Linkslenker war kein Problem. Ich sah nur 1x eine schottische und 1x eine englische Autowerkstatt von innen. Nur die 70 Mph hatten genervt.

jonathanp
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Re: Eisenbahnen in England

#2 Beitrag von jonathanp »

Hi, Ich bin ein ehemalige britische Fahrdienstleiter.
Wie wird auf der Insel gebremst? Ich sah nur Vakuumbremsen.
In der Dampfzeit war es je nach Unternehmen eine Mischung. Alle modernen Fahrzeuge verwenden Druckluftbremsen, aber die meisten Museumsbahnen verwenden hauptsächlich Vakuum. Einige Fahrzeuge haben beides.
Gibt es einfache ortsgestellte Weichen? Ich sah nur Weichen mit Stellhebel in der Nähe. Auch auf Videos.
Ja, es gibt sie. Es ist jedoch nicht erlaubt, dass ein Personenzug über eine solche Weiche fährt, da die Gefahr besteht, dass sie sich unter den Zug schiebt. Ein Weichenriegel ist Pflicht, und so gibt es dann mindestens zwei Hebeln in einen Bank. In Ausnahmefällen kann man ein Gerät mit einem Vorhängeschloss verwenden, aber das ist zeitaufwendig. Also einfache Weiche findet mann nur in Rangierbahnhöfe und war von Fahrgäste nicht gesehen.
Das Tooken System wird aber nur auf Museumsbahnen genutzt. Oder?
Nein, es ist noch bei manche Strecken benutzt, z.b. Oxford - Worcester und nach Glasgow - Stranraer. Die Übergabe von Tokens ohne Halt ist aber da nicht mehr gemacht, da es kein Heizer oder zweiter Lokführer mehr gibt. Es ist ja alt und wird nicht mehr installiert, aber es ist sicher, und billig.

Aus britischer Sicht ist es absolut verrückt, dass ein Unfall wie in Bad Aibling passieren kann, weil der Fahrdienstleiterwärter einfach entscheiden kann, dass ein Streckenabschnitt seiner Meinung nach frei ist. Das wäre im Vereinigten Königreich niemals erlaubt. Der Abschnitt muss entweder über eine vollständige Gleisfreimeldung verfügen, oder es müssen Tokens verwendet werden.
Ich weiß, es fahren englische Loks in Deutschland rum. Hat es deutsche Loks nach Englad verschlagen und fahren diese? Ich habe mal gelesen, es kamen V100 West auf die Insel und eine 01 wurde von der Insel geholt und aufgearbeitet. Wenn deutasche Loks dort fahren, wie funktioniert das mit dem kleineren Lichtraumprofil?
Manche Strecken war mit großerem Lichtraumprofil gebaut. Eine davon ist jetzt ein Museumseisenbahn - das "Nene Valley Railway". Sie haben kein Deutsche, aber Polnische, Dänische and Schwedische Fahrzeuge. Auf andere Strecken wird es nur mit viel Vorsicht möglich.
England das Mutterland der Eisenbahn. Aber irgendwie kommt es mir vor, wie wenn sich die Engländer ausruhten und die Technik noch wie zu Beginn der Eisenbahn ist.
Auf Museumsstrecken werden alte Betriebstechniken und Technologien bewusst beibehalten. Da sich alle dein Bemerkungen auf Museumsstrecken beziehen, habe ich den Eindruck, dass du glaubst, dass das gesamte Verkehrsnetz wie Museumsbahnen funktioniert. Das ist natürlich nicht der Fall.
Mit wenigen ausnahmen ist nicht beabsichtigt, dass die Museumsfahrzeuge jemals auf der Hauptnetz eingesetzt werden, und die Infrastruktur ist in der Regel im Besitz der Museumsbahn selbst und wird nur für Museumszüge genutzt. Es gibt also keinen Grund, zu modernisieren.
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F. Schn.
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Re: Eisenbahnen in England

#3 Beitrag von F. Schn. »

jonathanp hat geschrieben: 05.07.2023 17:50:53 Aus britischer Sicht ist es absolut verrückt, dass ein Unfall wie in Bad Aibling passieren kann, weil der Fahrdienstleiterwärter einfach entscheiden kann, dass ein Streckenabschnitt seiner Meinung nach frei ist. Das wäre im Vereinigten Königreich niemals erlaubt. Der Abschnitt muss entweder über eine vollständige Gleisfreimeldung verfügen, oder es müssen Tokens verwendet werden.
Reaktion auf das OT: Bad Aiblingen verfügt selbstverständlich über eine vollständige, lückenlose Gleisfreimeldung. Der Unfall ist entstanden, weil beide Züge den Gleisabschnitt zeitgleich befuhren und die Technik, die dies verhindert, vom Fdl als gestört eingestuft wurde. (Gibt dazu aber ein eigenes Thema im Echte-Bahn-Forum, deswegen will ich an dieser Stelle nicht ins Detail gehen.)
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Re: Eisenbahnen in England

#4 Beitrag von jonathanp »

OK. Unter britische Praxis, falls die Gleisfreimeldung, oder andere Technik defekt ist, so dass das Abfahrsignal nicht auf Fahrt gestellt werden kann, muss ein Lotse eingesetzt werden. Er trägt eine Armbinde und ist quasi ein Token in Menschenform. Kein Zug darf dann in den Abschnitt einfahren, wenn der Lotse nicht im Führerstand ist.
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F. Schn.
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Re: Eisenbahnen in England

#5 Beitrag von F. Schn. »

Auch die Gleisfreimeldung war nicht defekt. Von der anderen Richtung hatte der Gegenzug einfach bereits Fahrt.
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fabian_mst
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Re: Eisenbahnen in England

#6 Beitrag von fabian_mst »

jonathanp hat geschrieben: 05.07.2023 19:05:11 OK. Unter britische Praxis, falls die Gleisfreimeldung, oder andere Technik defekt ist, so dass das Abfahrsignal nicht auf Fahrt gestellt werden kann, muss ein Lotse eingesetzt werden. Er trägt eine Armbinde und ist quasi ein Token in Menschenform. Kein Zug darf dann in den Abschnitt einfahren, wenn der Lotse nicht im Führerstand ist.
Wie wird dadurch verhindert, dass eine Kollision mit einem Zug in Gegenrichtung stattfindet, der kurz vorher auf "grün" abgefahren ist? So wie ich das verstanden habe, darf der ja ohne Lotse fahren, da das Signal für ihn auf Fährt stellbar war.

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Re: Eisenbahnen in England

#7 Beitrag von jonathanp »

F. Schn. hat geschrieben: 05.07.2023 19:12:29 Auch die Gleisfreimeldung war nicht defekt. Von der anderen Richtung hatte der Gegenzug einfach bereits Fahrt.
Ja, das kommt under "das Abfahrsignal nicht auf Fahrt gestellt werden kann".
Wie wird dadurch verhindert, dass eine Kollision mit einem Zug in Gegenrichtung stattfindet, der kurz vorher auf "grün" abgefahren ist? So wie ich das verstanden habe, darf der ja ohne Lotse fahren, da das Signal für ihn auf Fährt stellbar war.
Es gibt keine absolute Sicherheit. Nur, dass der Fahrdienstleiter zuerst einen Lotsen finden und ihm erklären muss, warum seine Dienste benötigt werden. Falls es ein gibt, muss er es auch mit dem Nachbar-Fdl koordinieren.
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fabian_mst
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Re: Eisenbahnen in England

#8 Beitrag von fabian_mst »

Ok, da hätte der Faktor Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit den Unfall verhindert. Genau so Systeme gibt es ja auch in der Schweiz beispielsweise bei der Fahrstraßenhilfsauflösung, die erst mit, meine ich, zwei Minuten Verzögerung wirkt.

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F. Schn.
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Re: Eisenbahnen in England

#9 Beitrag von F. Schn. »

Ja, mit einem ordentlichen Regelwerk lässt sich das natürlich schon abfangen. Solche Lotsten-Regelungen sind da natürlich auch nicht optimal, z.B. sorgen die halt für immens lange Zeiten, bis man die Strecke wieder lauffähig hat. Das deutsche Regelwerk ist an der Stelle einfach Buggy und unübersichtlich, aber das will ich an der Stelle jetzt nicht vertiefen. Ging mir jetzt nur um die Klarstellung.
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Tobias
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Re: Eisenbahnen in England

#10 Beitrag von Tobias »

Hallo zusammen,
jonathanp hat geschrieben: 05.07.2023 17:50:53
Gibt es einfache ortsgestellte Weichen? Ich sah nur Weichen mit Stellhebel in der Nähe. Auch auf Videos.
Ja, es gibt sie. Es ist jedoch nicht erlaubt, dass ein Personenzug über eine solche Weiche fährt, da die Gefahr besteht, dass sie sich unter den Zug schiebt. Ein Weichenriegel ist Pflicht, und so gibt es dann mindestens zwei Hebeln in einen Bank. In Ausnahmefällen kann man ein Gerät mit einem Vorhängeschloss verwenden, aber das ist zeitaufwendig. Also einfache Weiche findet mann nur in Rangierbahnhöfe und war von Fahrgäste nicht gesehen.
Hierzu kann ich ein Foto aus Inverness aus dem fahrenden Zug raus beisteuern.
Bild
Ob das jetzt repräsentativ für den Rest der Insel ist, kann ich leider nicht sagen. Mein Augenmerk galt eher den vielen kleinen "open-air-Hebelbänken", welche dort oben an vielen Stellen zu finden sind.
Beispiel hierzu aus Mallaig:
Bild

Grüße
Tobias

Andreas Hänsch
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Re: Eisenbahnen in England

#11 Beitrag von Andreas Hänsch »

Ich stelle ein paar Bilder zusammen mit Fragen.

Aber Bad Aibling ist in England auf der RHDR auch fast passiert. Die Züge sahen sich aber rechtzeitig und konnten bremsen. Es wurde mit Tooken gefahren. Jetzt gibt es dort auf einen Streckenabschnitt einen elektronischen Tooken. Wenn man zwei Züge in eine Richtung ablassen will, gibt es einen Befehl. Der Tf des ersten Zuges muss den Tooken sehen und dann bekommt er einen Befehl ausgehändigt zu fahren. Der zweite Zug nimmt den Tooken dann mit. Wie das genua funktioniert kann sicher Jonathamp sagen. Als es passierte, war der Tooken nicht am Bahnhof. Eine nicht berechtige Hilfskraft stellte einen Befehl aus und gab diesen den Tf. Und dieser fuhr los.

Also kein System ist sicher. Es gibt immer Schwachpunkte wo Menschen arbeiten. Was ich auch noch nicht verstanden habe, wie wurde damals ohne Fernsprecher verhindert, dass der nachfolgende Zug nicht auf den ersten auffährt.

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Johannes
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Re: Eisenbahnen in England

#12 Beitrag von Johannes »

Andreas Hänsch hat geschrieben: 07.07.2023 10:29:14 Aber Bad Aibling ist in England auf der RHDR auch fast passiert. Die Züge sahen sich aber rechtzeitig und konnten bremsen. Es wurde mit Tooken gefahren.
Summarischer Untersuchungsbericht dazu: https://www.gov.uk/government/publicati ... ugust-2019

Unter "4. Previous similar occurrences" mussten sie schon fast 100 Jahre zurückgehen, um einen ähnlichen Unfall zu finden.

jonathanp
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Re: Eisenbahnen in England

#13 Beitrag von jonathanp »

Soweit ich weiß, wurde ein solches System wie auf dem RHDR seit Jahrzehnten auf keiner Normalspurbahn mehr verwendet.

Stattdessen gibt es mehrere Tokens, die jedoch in miteinander verbundenen Tokenautomaten eingeschlossen sind, von denen jeweils nur eine freigegeben werden kann, mit zustimmung des anderen Fahrdienstleiters. Züge würden nur auf Befehl abfahren, wenn wegen eine Störung Lotsenbetrieb eingesetzt ist und dann zwei Züge in eine Richtung fahren muss.
Was ich auch noch nicht verstanden habe, wie wurde damals ohne Fernsprecher verhindert, dass der nachfolgende Zug nicht auf den ersten auffährt.
Ursprünglich, als es weder Telgraf noch Fernsprecher gab, wurde einfach eine gewisse Zeit gewartet, und dann konnte der nächste Zug fahren.
Bei einigen Museumsbahnen ist es theoretisch noch erlaubt, dies während des Lotsenbetriebs zu machen, wenn überhaupt keine Kommunikation möglich ist, aber ich schätze, wenn es so schlimm ist, dass sowohl die Bahninterne als auch das öffentliche und funkbasierte Telefonnetz nicht funktionieren, ist wahrscheinlich auch die Bahnstrecke nicht mehr fahrbar :D
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Andreas Hänsch
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Re: Eisenbahnen in England

#14 Beitrag von Andreas Hänsch »

Ich kann derzeit keine Bilder hochladen, bzw diese werden nicht von meinem Server angezeigt. ich weiß nicht warum.
Beispiel hierzu aus Mallaig:
https://i.imgur.com/JZLDrsum.jpg
Sowas habe ich in Whitby gesehen. Ein Kopfbahnhof, der nicht nur von der Museumsbahn angefahren wird. Die Weiche wird nie von einem Zug überfahren. Nur von einer Lok, wenn sie ans andere Ende umsetzt. In Deutschland wäre diese Weiche unverschlossen. Aber was haben die Hebel zu bedeuten? Ist da ein Schloss dran? Sonst könnte doch jeder kommen und die Weiche umstellen.
Stattdessen gibt es mehrere Tokens, die jedoch in miteinander verbundenen Tokenautomaten eingeschlossen sind, von denen jeweils nur eine freigegeben werden kann, mit zustimmung des anderen Fahrdienstleiters.
Das wurde angeblich jetzt auch bei der RHDR eingeführt.

Ich habe den Bericht mittels Google gelesen, Es klang irgendwie abenteuerlich. Da ist viel falsch gelaufen.

2015 wurden wir mit dieser Lok:
https://www.sirnigelgresley.org.uk/
über die Museumsbahn gezogen. Natürlich mit Vakuum gebremst. Die Lok fährt über 100Mph und bremst nur mit Vakuum? Was ist da anders? Bei Druckluft wurden sogar extra Bremsstellungen eingeführt wie S, SS oder R. Und hier reicht Vakuum?

Engländer setzen auch voll auf Injektoren zur Kesselspeisung. Warum gibt es keine Pumpen? Die sind soch effiktiver.

Jan
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Re: Eisenbahnen in England

#15 Beitrag von Jan »

Andreas Hänsch hat geschrieben: 07.07.2023 13:22:05 Ist da ein Schloss dran? Sonst könnte doch jeder kommen und die Weiche umstellen.
Ja, ein "Ground Frame" (so werden diese Dinger genannt – gibt es auch in moderner Ausführung mit angetriebenen Weichen und Druckknöpfen o.ä. statt Signalhebeln als "Ground Switch Panel") ist im Normalfall immer verschlossen und muss zur Bedienung irgendwie entsperrt werden. Ganz klassisch passiert das per Schlüssel, wobei es für die Handhabung des Schlüssels je nach Örtlichkeit verschiedene Verfahrensweisen gibt: Bei klassischen mechanischen Stellwerken wurde der Schlüssel teilweise auf dem Stellwerk aufbewahrt, ansonsten gibt es ähnlich wie hierzulande eine aus dem Stellwerk fernbediente Schlüsselsperre. Auf eingleisigen Strecken mit klassischer Sicherung des eingleisigen Abschnittes (Staff, Token, o.ä.) ist der Schlüssel teilweise direkt damit verknüpft, d.h. der Schlüssel hängt am z.B. "Staff" (bei Stabsicherung), bzw. der Ground Frame kann per Token entsperrt werden. Alternativ kann es auch direkt eine elektrische Hebelsperre geben, die den sogenannten "King Lever" (oder Release Lever) entsperrt, der dann wiederum den restlichen Ground Frame freigibt. (Und bei einem Ground Switch Panel läuft dann ja sowieso alles elektrisch.)

Auf dem Bild aus Mallaig kann man am mittleren Hebel (Nr. 2) einen Schlüsselkasten erkennen, und auf dem Schild etwas, was sich mit Mühe gerade so als "Annetts Key" entziffern lässt.

Zum Thema Gleisfreimeldung (da passt dann eher das Stichwort Gruiten als Bad Aibling): In Großbritannien war man mit der Einführung von Achszählern etwas zurückhaltender, und selbst als man dann doch stellenweise angefangen hat, welche zu verbauen (im Severn Tunnel waren Gleisstromkreise auf Grund der Feuchtigkeitsverhältnisse im Tunnel ziemlich störanfällig, sodass er 1987 auf Achszähler umgestellt wurde – das war zu dem Zeitpunkt zwar schon nicht mehr die Pionieranwendung, aber wirklich weiter verbreitet waren sie damals trotzdem nicht), hat man sie stellwerksseitig erstmal wie Gleisstromkreise behandelt, d.h. keine speziellen Bedienelemente für den Fahrdienstleiter, Zurücksetzten nur durch LST-Techniker möglich.
Ganz optimal war das aber auch nicht (der Unfall 1991 im Severn Tunnel konnte nie definitiv aufgeklärt werden, aber eine der Theorien war eine versehentlich Zurücksetzung des Abschnittes durch mit einer Entstörung beschäftigte LST-Techniker), und es erging dann glaube ich auch die Empfehlung, sich zu überlegen, das Zurücksetzen eines Achszählerabschnittes in die Kontrolle des Fahrdienstleiters zu geben.

In diesem Jahrtausend hat man dann auch dort begonnen, vermehrt Achszähler zu verbauen und diese Empfehlung dann glaube ich auch umgesetzt, allerdings im Vergleich zu unserer AzGrT mit etwas restriktiverer technischer Handhabung. Fragt mich allerdings nicht nach den genaueren Details dazu, die müsste ich mir auch erst wieder zusammensuchen…

Auch sonst sind aber allgemein die Eingriffsmöglichkeiten der Fahrdienstleiter in die Stellwerkstechnik in Großbritannien etwas beschränkter – keine Ersatzsignale, ein Zs 7-Äquivalent gibt es erst seit vergleichsweise kurzer Zeit, keine Fahrstraßenhilfsauflösung und keine Weichenhilfstaste. Wenn einem eine ungünstige Freimeldestörung also den kompletten Bahnhofskopf blockiert, bleibt (insbesondere bei Gleisstromkreisen) nichts übrig, als geduldig auf die LST-Techniker zu warten.
Im Gegenzug konnte man dafür aber im Relaiszeitalter auch etwas entspannter an das Thema Fernsteuerung herangehen (in Großbritannien kam das bereits bei Relaisstellwerken in größerem Umfang auf, während wirklich große Streckenstellwerke hierzulande wohl eher die Ausnahme waren und erst mit ESTWs so wirklich größere Verbreitung fanden) – wenn man vom Stellpult aus keinen größeren Unsinn anstellen kann, ist auch die Fernsteuerung nicht so sicherheitskritisch, da alle unsinnigen Kommandos vom fernbedienten Stellwerk einfach abgewiesen werden.
Zuletzt geändert von Jan am 07.07.2023 22:13:40, insgesamt 2-mal geändert.

jonathanp
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Re: Eisenbahnen in England

#16 Beitrag von jonathanp »

Ich weiß nicht genau, wie die Signalisierung in Mallaig funktioniert, aber der Zweck der Hebel lässt sich anhand ihrer Farbe und Länge bestimmen.
Es gibt drei Hebel. Der mittlere Hebel ist nur ein Entriegelungshebel für die anderen beiden und muss selbst entriegelt werden, indem man etwas in die Box an der Vorderseite einführt. Normalerweise wird das Token verwendet als Schlüssel, aber in Mallaig wird ein funkgestütztes elektronisches Tokensystem verwendet, also muss es etwas anderes geben.

Dann gibt es einen doppelt wirkenden Hebel für die Weiche und die Entgleisungsweiche(ganz oben, links) und den anderen für das Weichenriegel.

Es stimmt, dass man in einem Kopfbahnhof darauf verzichten könnte(In Pickering auf dem NYMR ist es z.b. der Fall, da der Bahnhof nicht als Kopfbahnhof gebaut wurde und die Weiche nicht am Bahnsteig ist.) Das bedeutet aber, dass alle Züge vor der Weiche anhalten müssen, auch wenn sie einen Steuerwagen oder eine zweite Lokomotive haben. Hinzu kommt, dass durch den Betrieb einer Entgleisungsweiche mit selbem Hebel die Umfahrungsschleife ohne Gefahr auch als Abstellgleis genutzt werden kann.

Zu den Einzelheiten der Dampflokomotivtechnik oder der Fahrweise mit Vakuumbremsen kann ich nichts sagen.
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Tobias
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Re: Eisenbahnen in England

#17 Beitrag von Tobias »

Hallo zusammen,

ergänzend zu den Beschreibungen von Jan und jonathanp anbei noch zwei Fotos aus Upper Tyndrum, ebenfalls auf der West Highland Line gelegen.
BildBild

Grüße
Tobias

Jan
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Re: Eisenbahnen in England

#18 Beitrag von Jan »

jonathanp hat geschrieben: 07.07.2023 15:00:28 Normalerweise wird das Token verwendet als Schlüssel, aber in Mallaig wird ein funkgestütztes elektronisches Tokensystem verwendet, also muss es etwas anderes geben.
Das Verfahren wird auf signalbox.org beschrieben: Der "Annett's Key" für den jeweiligen Ground Frame befindet sich im silberfarbenen Kästchen unterhalb des Ground Frames. Der Schlüssel zum Öffnen dieses Kästchens hängt wiederum am Schlüsselbund des Schlüssels für die Bedieneinheit der RETB-Zugsicherung im jeweiligen Zug.

Um einen Ground Frame zu bedienen, muss man also den Schlüssel aus der RETB-Bedieneinheit abziehen, wodurch diese keine weitere Fahrerlaubnisse erhalten kann (wobei das Vorhandensein einer Fahrerlaubnis bei RETB allerdings nicht direkt im Zug technisch überwacht wird – zwischenzeitlich wurden allerdings ähnlich wie bei unserem Technisch Unterstützten Zugleitbetrieb sowohl bei RETB als auch auf den klassischen (Edit: Gemeint waren die vereinfachten No-Signalman Token Remote-Strecken, bei denen es auf der Strecke nur die Token-Apparate, aber sonst keine stellbaren Signale gibt, nur Stop Boards. Bei ganz klassischen Token-Strecken ist der Bahnhof ja ganz normal signalisiert und das Token übernimmt nur die Funktion unseres Erlaubniswechsels.) Token-Strecken auf den Bahnhöfen TPWS-Fahrsperren nachgerüstet, welche bei Ausstellung eines Tokens für den folgenden Abschnitt für einige Minuten abgeschaltet werden). Mit dem anderen Schlüssel am Schlüsselbund kann man dann das Kästchen für den Annett's Key entsperren und mit dem wiederum dann den Ground Frame entsperren. Der Annett's Key ist mit einer Kette im Kästchen befestigt, sodass man dessen Tür bei entnommenem Annett's Key nicht wieder schließen kann und damit auch der Schlüssel für die RETB-Bedieneinheit festgehalten wird.
Zuletzt geändert von Jan am 10.07.2023 11:59:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Eisenbahnen in England

#19 Beitrag von F Sch »

Um kurz auf das Thema Bad Aibling und Gruiten und die Unmöglichkeit eines solchen Ereignisses in England zurück zu kommen: Das ist auch in Deutschland von rein betrieblicher Seite unmöglich. Stichworte Zugfolgeabschnitt, Räumungsprüfung und Fahrwegprüfung. Absolute Grundlagen des Eisenbahnbetriebs. Um es anders auszudrücken: Vor Zulassung einer Zugfahrt sollte sich der Fahrdienstleiter sehr klar darüber sein, ob der Zugfolgeabschnitt oder die Zugstraße frei von Fahrzeugen ist. Zu dieser Feststellung gehört auch die Philosophie, bei Besetztanzeigen erstmal davon auszugehen, dass dort tatsächlich Fahrzeuge stehen und keine Störung vorliegt. Liegt dann wirklich eine Störung vor, verhindert das methodische Handeln nach Regelwerk die o.g. Vorkommnisse, denn wenn wie es technisch möglich ist mit Hilfshandlungen eingegriffen wird, sollte sich der Bediener seiner Sache und vor allem der Konsequenzen bewusst sein.

Andreas Hänsch
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Re: Eisenbahnen in England

#20 Beitrag von Andreas Hänsch »

Mein FTP funktioniert wieder. Ich besuchte in England meine Cousine. Sie studierte in Preston Lancashire. Absichtlich studierte, denn morgen bekommt sie ihre Zeugnisse. Meine Cousine meckerte wie hässlich England sei. Ich zeigte ihr andere Flecken der Insel. Ok zu den Bildern.

Das hier ist der Bahnhof Preston. Keine Museumsbahn. Von einen Außenstehenden betrachtet wie ein normaler Bahnhof. Zumindest keine Stellstangen sichtbar.
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2015 war ich in York und von der stadt sehr angetan. So fuhren wir auch da hin.
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Auch ein normaler Bahnhof.
In Edingburgh kam man nicht zum Bahnsteig. Da gibt es so was was ich nur von England kenne.
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