Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Ronny
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#21 Beitrag von Ronny »

Also, erst einmal habe ich nicht geschrieben, daß das Regelwerk unsauber formuliert ist. Es hat sich in den Köpfen nur eine falsche Interpretation des Regelwerks festgesetzt, weswegen das Regelwerk falsch angewendet wird. Die Aussagen in 408.0651 bzw. 408.2651 sind unmißverständlich, da gibt es nichts zu deuteln.

Die Bahnpraxis ist kein Regelwerk, und die Texte geben nur die Meinung der Autoren wieder. Die Artikel werden zwar in der Redaktion gegengelesen, aber nicht vollständig fachlich validiert. Enrico Schneider, der Autor des Artikels von 2020, ist auch kein Fachautor, wie man unter der Artikelüberschrift lesen kann. Fraglich ist auch, wer in der Ausgabe 03/2021 unter dem Titel „Bahnpraxis B antwortet“ geschrieben hat. Der Autor? Ein Fachautor von I.NBB 42? Irgendwer?

Der 2020er Artikel ist auch widersprüchlich:
  • Er schreibt, bei der Vorbeifahrt der Zugspitze am Signal erhält er eine PZB-Zwangsbremsung und der Zug wäre kurz hinter dem Signal zum Stehen gekommen. Damit ist die Sache klar, und niemand muß mehr Geschichten von der Wachsamkeitstaste erzählen: PZB-Zwangsbremsung am Hauptsignal, also Befehl erforderlich.
  • Aber: Eine PZB-Zwangsbremsung wegen nicht bedienter Wachsamkeitstaste erfolgt nicht bei der Vorbeifahrt der Zugspitze am Signal, sondern nach besagten 4/2,5 Sekunden. Welche Entfernungen das sind, haben wir ja bereits geklärt. Das heißt, wenn die Zwangsbremsung bei Vorbeifahrt der Zugspitze am Signal erfolgt ist, dann waren es nicht die 1000 Hz, sondern die 2000 Hz und somit auch nicht die vergessene Wachsamkeitstaste. Und genau aus diesem Grund interessiert die vergessene Wachsamkeitstaste nicht: Wenn es hier nämlich eine 2000-Hz-Beeinflussung war, dann wird es gefährlich, wenn sich die Beteiligten auf die vergessene Wachsamkeitstaste konzentrieren.
Und wie kann es sein, daß der Standort der Zugspitze bei der Standortmeldung das Signal 61ZU4 ist, obwohl der Zug doch an dem Signal vorbeigefahren ist und mit der Zugspitze hinter dem Signal 61ZU4 steht? Unter der Überschrift „Der richtige Weg“ sollte man den Fdl vielleicht auch vollständig wiederholen lassen. Die wichtigste Information fehlt nämlich in der Wiederholung: der Ort der PZB-Zwangsbremsung. Und sollte der Ort nicht gemeinsam ermittelt werden? Weiter heißt es, der Fdl wertet seine Lupe aus, und aufgrund seiner Auswertung ist ein Befehl erforderlich. Die Auswertung der Lupe ist das Feststellen der Voraussetzungen zu Weiterfahrt. Was hat das mit der Erforderlichkeit eines Befehls zu tun, wenn sich die Erforderlichkeit einzig aus dem Ort der PZB-Zwangsbremsung ergibt? Der Artikel ist nicht zu Ende gedacht. Das war einfach nur schnell verdientes Geld für den Autor des Artikels.

Die Antwort des Herren Bahnpraxis B, oder wie auch immer der Verfasser der Antwort in der Ausgabe 03/2021 heißt, ist auch ein Brüller: Erst schreibt er, es wäre der Befehl 12 Grund 1 wegen BM 2018-037 erforderlich, dann schreibt er zwei Absätze darunter, die PZB-Streckeneinrichtung wäre nicht gestört. Die BM 2018-037 verlangt aber nur das Erteilen des Befehls bei (der ersten) Zugfahrt mit besonderem Auftrag wegen Unregelmäßigkeiten an Signalanlagen. Warum also den Befehl schreiben, wenn doch gar keine Unregelmäßigkeit an einer Signalanlage vorliegt? Es war doch bloß die Wachsamkeitstaste, oder etwa nicht? Wird dem Fdl denn in diesem Moment die Störung einer PZB-Streckeneinrichtung bekannt (408.0651 1 (1))? Nein? Aha, dann besteht auch keine Unregelmäßigkeit an Signalanlagen und es wird kein Befehl 12 Grund 1 wegen BM 2018-037 geschrieben.

Die „unternehmensinternen Fachautorvorgaben“ sind einzig und allein das Regelwerk. Alles andere interessiert nicht. Deswegen spare ich mir auch Anfragen an Fachautoren, wie ein Regelwerk zu deuten ist. Wenn sie nicht in der Lage sind, ihr Regelwerk unmißverständlich zu formulieren und in Wahrheit etwas anderes meinen, als eindeutig geschrieben steht, dann haben wir größere Probleme als gedacht.

In der Bahnpraxis wurde derselbe Fehler gemacht, der auch sonst immer gemacht wird: Zwangsbremsung wurde verwechselt mit Beeinflussung. Ist es wirklich so schwer, die Worte in der Fahrdienstvorschrift anzuwenden?

fabian_mst hat geschrieben: 26.05.2023 23:12:33Übrigens: Bei 160 km/h schaffst du es nicht vier Sekunden weit, schätzungsweise nach einer Sekunde stellt der Zug sich hin.
Ja, die Überwachungskurve beginnt unabhängig von der Wachsam-Bedienung (übrigens noch ein Grund für nicht am Hauptsignal). Allerdings beginnt die Überwachungskurve bei 165 km/h und zählt auch nicht sofort herunter. Es mögen keine vier Sekunden sein, eine aber auch eher nicht.

Lukas Rothmann
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#22 Beitrag von Lukas Rothmann »

Servus,
Danke für die Umfangreiche Antwort!

Grüße

Takato
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#23 Beitrag von Takato »

Hallo,
ich bin gerade mal mein Regelwerk durchgegangen und stelle fest, dass das BRW keine Unterscheidung zwischen einer Beeinflussung und einer Zwangsbremsung macht. Wieso sollte es ausgerechnet jetzt in diesem Absatz einen Unterschied machen? Es gibt die Absätze "Unregelmäßigkeiten an der Zugbeeinflussung - PZB/LZB/ETCS", jedoch wird da bei der Zugbeeinflussung nur allgemein auf das jeweilge System eingegangen und nicht, ob man eine gewisse Beeinflussung erhalten hat.

Lukas Rothmann
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#24 Beitrag von Lukas Rothmann »

Servus,
Das hat Ronny doch vorhin sehr schön Aufgelistet.
Unter 408.2651 Absatz 3 wird genau abgehandelt wie nach einer PZB Zwangsbremsung zu verfahren ist.

Grüße

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Joachim Günther
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#25 Beitrag von Joachim Günther »

Ronny hat geschrieben: 27.05.2023 01:00:11
Ja, die Überwachungskurve beginnt unabhängig von der Wachsam-Bedienung (übrigens noch ein Grund für nicht am Hauptsignal). Allerdings beginnt die Überwachungskurve bei 165 km/h und zählt auch nicht sofort herunter. Es mögen keine vier Sekunden sein, eine aber auch eher nicht.
Die zeitabhängige Absenkung der Überwachungskurve (V-lim) erfolgt bei allen PZB-Zugarten (O, M, U) nach 2,5 Sekunden nachdem eine 1000Hz-Beeinflussung von der PZB-Fahrzeugeinrichtung erkannt wurde. Mit dem Erkennen der 1000-Beeinflussung wird gleichzeitig die 4s-Überwachung der Wachsam-Bedienung gestartet.
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Mario R.
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#26 Beitrag von Mario R. »

Frage eines Laien (hab mit der Eisenbahn nichts am Hut beruflich) zum Thema „Wann/Wo ist eine Zwangsbremsung eingetreten“

Folgende Annahmen:
Tfz ist eine BR01 mit PZB-Fahrzeugmagnet unter dem Führerstand befindlich (ca. 13m hinter Puffer bei 26m LüP der 01er mit Tender)
Die gefahrene Geschwindigkeit beträgt 108km/h oder 30m/s
Der zum Hauptsignal gehörende PZB-Magnet liegt ca. 6m hinter selbigen.
Die physikalisch-technische Reaktionszeit der PZB-Fahrzeugeinrichtung beträgt 0,1s nach Überfahrt über den „scharfen 2000Hz-Magneten“ bis zum Einleiten der Zwangsbremsung.

Zähle ich alle gefahrenen Meter in diesem von mir konstruierten Worst-Case-Szenario zusammen komme ich auf 22m nach Vorbeifahrt der Zugspitze am Signalstandort bis überhaupt von der Zwangsbremsung was zu merken ist.
Ist das dann eine Zwangsbremsung „am“ Hauptsignal, oder eine „nicht am Hauptsignal“?

Viele Grüße
Mario

Takato
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#27 Beitrag von Takato »

Ich sehe das halt etwas anders. Im BRW wird die Bezeichnung PZB-Zwangsbremsung oder Beeinflussung nicht definiert und wenn man die 483 zu Grunde legt geht selbst einer 2000Hz Zwangsbremsung eine Beeinflussung vorraus. Wieso sollte man jetzt also genau in dem Fall im BRW eine Unterscheidung treffen, wenn in der einzigen definierten Stelle selbst für eine 2000Hz Zwangsbremsung von einer Beeinflussung gesprochen wird?

Lukas Rothmann
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#28 Beitrag von Lukas Rothmann »

Joachim Günther hat geschrieben: 27.05.2023 18:28:28
Die zeitabhängige Absenkung der Überwachungskurve (V-lim) erfolgt bei allen PZB-Zugarten (O, M, U) nach 2,5 Sekunden nachdem eine 1000Hz-Beeinflussung von der PZB-Fahrzeugeinrichtung erkannt wurde. Mit dem Erkennen der 1000-Beeinflussung wird gleichzeitig die 4s-Überwachung der Wachsam-Bedienung gestartet.
Servus,
mir wurde immer gesagt die Taste Wachsam muss 4 Sekunden nach 1000 Hz gedrückt werden normal und 2,5 bei Fahrzeugen mit MVB. Stimmt das also nicht?

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 19:06:51 Ich sehe das halt etwas anders. Im BRW wird die Bezeichnung PZB-Zwangsbremsung oder Beeinflussung nicht definiert und wenn man die 483 zu Grunde legt geht selbst einer 2000Hz Zwangsbremsung eine Beeinflussung vorraus. Wieso sollte man jetzt also genau in dem Fall im BRW eine Unterscheidung treffen, wenn in der einzigen definierten Stelle selbst für eine 2000Hz Zwangsbremsung von einer Beeinflussung gesprochen wird?
Ich verstehe nicht ganz was du meinst. Eine Zwangsbremsung ist eine Bremsung bei der
,,ohne Betätigung des Führerbremsventils/Fahrbremsschalters eine der Schnellbremsung vergleichbare Bremswirkung hervorgerufen wird" unter anderem ,,durch bestimmte Zugbeeinflussungssysteme"
Tritt eine solche Zwangsbremsung durch die PZB auf muss ich nach BRW 408.2651 handeln.
Was meinst du mit Unterscheidung zwischen Zwangsbremsung und Beeinflussung?

Grüße

Emmet
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#29 Beitrag von Emmet »

Hallo,
Takato hat geschrieben: 27.05.2023 19:06:51 Ich sehe das halt etwas anders. Im BRW wird die Bezeichnung PZB-Zwangsbremsung oder Beeinflussung nicht definiert und wenn man die 483 zu Grunde legt geht selbst einer 2000Hz Zwangsbremsung eine Beeinflussung vorraus. Wieso sollte man jetzt also genau in dem Fall im BRW eine Unterscheidung treffen, wenn in der einzigen definierten Stelle selbst für eine 2000Hz Zwangsbremsung von einer Beeinflussung gesprochen wird?
Bei einer 2000Hz Beeinflussung am Hsig finden die Beeinflussung und die Zwangsbremsung direkt am Hsig statt.
Bei einer 1000Hz-Beeinflussung am Hsig und vergessener WT finden die Beeinflussung und die Zwangsbremsung an unterschiedlichen Orten statt. (eben die 4s bzw. 2,5s später)

Grüße
Tobias

Takato
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#30 Beitrag von Takato »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 27.05.2023 19:23:17 Ich verstehe nicht ganz was du meinst. Eine Zwangsbremsung ist eine Bremsung bei der
,,ohne Betätigung des Führerbremsventils/Fahrbremsschalters eine der Schnellbremsung vergleichbare Bremswirkung hervorgerufen wird" unter anderem ,,durch bestimmte Zugbeeinflussungssysteme"
Tritt eine solche Zwangsbremsung durch die PZB auf muss ich nach BRW 408.2651 handeln.
Was meinst du mit Unterscheidung zwischen Zwangsbremsung und Beeinflussung?

Grüße
Regelwerkstexte sind echt Wortklauberei. Manchmal kann ein Wort den Unterschied zwischen einer bestandenen Prüfung und einer Betriebsgefahr sein
Eine Zwangsbremsung ist nach 915 definiert. Hier wird aber explizit von einer PZB-Zwangsbremsung geschrieben, die 2014 neu in die 483 aufgenommen wurde.
Die Seiten der 408 sind von 2016, also kann man davon ausgehen, dass die 408 den Begriff explizit aus der 483 entnimmt.

Des weiteren hat jede PZB-Zwangsbremsung eine vorausgehende Beeinflussung, auch bei einer 2000Hz Zwangsbremsung.
Wieso sollte man also jetzt eine Unterscheidung zwischen einer Beeinflussung und einer Zwangsbremsung machen, wenn selbst die 483 das nicht macht.

Aber um wieder auf das eine Wort zurückzukommen:
Wieso nutzt man nicht die Begrifflichkeiten, wenn sie schon einmal benutzt wurden?
In der 483.0101 2 (9) c) wird geschrieben:
Eine 2000 Hz-Beeinflussung führt zu einer sofortigen PZB-Zwangsbremsung.
Hätte man das wort sofortigen in den Regeltext der 408 aufgenommen, dann wäre es halt richtig definiert, wurde es aber nicht.

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Joachim Günther
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#31 Beitrag von Joachim Günther »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 27.05.2023 19:23:17
Joachim Günther hat geschrieben: 27.05.2023 18:28:28
Die zeitabhängige Absenkung der Überwachungskurve (V-lim) erfolgt bei allen PZB-Zugarten (O, M, U) nach 2,5 Sekunden nachdem eine 1000Hz-Beeinflussung von der PZB-Fahrzeugeinrichtung erkannt wurde. Mit dem Erkennen der 1000-Beeinflussung wird gleichzeitig die 4s-Überwachung der Wachsam-Bedienung gestartet.
Servus,
mir wurde immer gesagt die Taste Wachsam muss 4 Sekunden nach 1000 Hz gedrückt werden normal und 2,5 bei Fahrzeugen mit MVB. Stimmt das also nicht?
Das PZB90-Lastenheft spricht in diesem Punkt von einer Überwachung der Wachsam-Bedienung von bis 4s, um damit auch technologiebedingte kleinere Werte als 4s abzudecken. Mir sind LZB/PZB-Fahrzeugeinrichtungen mit MV-Bus bekannt, bei denen der Wert der Überwachungszeit definitiv 4s beträgt. Details siehe unter viewtopic.php?p=313059#p313059.
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fabian_mst
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#32 Beitrag von fabian_mst »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 27.05.2023 19:23:17
Joachim Günther hat geschrieben: 27.05.2023 18:28:28
Die zeitabhängige Absenkung der Überwachungskurve (V-lim) erfolgt bei allen PZB-Zugarten (O, M, U) nach 2,5 Sekunden nachdem eine 1000Hz-Beeinflussung von der PZB-Fahrzeugeinrichtung erkannt wurde. Mit dem Erkennen der 1000-Beeinflussung wird gleichzeitig die 4s-Überwachung der Wachsam-Bedienung gestartet.
Servus,
mir wurde immer gesagt die Taste Wachsam muss 4 Sekunden nach 1000 Hz gedrückt werden normal und 2,5 bei Fahrzeugen mit MVB. Stimmt das also nicht?
Das stimmt schon, es ist aber so, dass der Ablauf der Überwachungskurve offenbar bis 2,5 Sekunden (danke für die Korrektur) nach Beeinflussung beginnt. Das heißt also, die Zeit zur Wachsamkeits-Bedienung ist also nicht verstrichen, du kannst aber trotzdem schon vorher eine Zwangsbremsung wegen Überschreitens der ablaufenden Überwachungskurve bekommen, wenn du nicht bereits bremst.

Lukas Rothmann
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#33 Beitrag von Lukas Rothmann »

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 20:00:29
Des weiteren hat jede PZB-Zwangsbremsung eine vorausgehende Beeinflussung, auch bei einer 2000Hz Zwangsbremsung.
Wieso sollte man also jetzt eine Unterscheidung zwischen einer Beeinflussung und einer Zwangsbremsung machen, wenn selbst die 483 das nicht macht.
Eine Beeinflussung ist doch quasi eine Art Eingabe, eine Information die erfasst wird. Eine Zwangsbremsung ist dann ja im Prinzip eine ,,Funktion" des PZB Rechners, die er ausführen kann um den Zug zum Stehen zu bringen. Das sind doch zwei unterschiedliche par Schuhe.
Befreit man sich zum Beispiel nicht aus dem Startprogramm kann man auch ganz ohne Beeinflussung eine PZB Zwangsbremsung haben
Grüße

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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#34 Beitrag von Takato »

Lukas Rothmann hat geschrieben: 27.05.2023 21:05:54
Takato hat geschrieben: 27.05.2023 20:00:29
Des weiteren hat jede PZB-Zwangsbremsung eine vorausgehende Beeinflussung, auch bei einer 2000Hz Zwangsbremsung.
Wieso sollte man also jetzt eine Unterscheidung zwischen einer Beeinflussung und einer Zwangsbremsung machen, wenn selbst die 483 das nicht macht.
Eine Beeinflussung ist doch quasi eine Art Eingabe, eine Information die erfasst wird. Eine Zwangsbremsung ist dann ja im Prinzip eine ,,Funktion" des PZB Rechners, die er ausführen kann um den Zug zum Stehen zu bringen. Das sind doch zwei unterschiedliche par Schuhe.
Befreit man sich zum Beispiel nicht aus dem Startprogramm kann man auch ganz ohne Beeinflussung eine PZB Zwangsbremsung haben
Grüße
Für dich sind es zwei unterschiedliche paar Schuhe, aber nicht nach Regelwerk. Dass es sich im Betrieb eingebürgert hat zu sagen, dass man eine 1000-Hz Beeinflussung hat oder eine 500er oder eine restriktive wird in dem Fall aber nicht vom Regelwerk abgedeckt. Da ist alles eine Beeinflussung, auch die 2000Hz Beeinflussung. Und deshalb finde ich es halt quatsch was Ronny geschrieben hat
In der Bahnpraxis wurde derselbe Fehler gemacht, der auch sonst immer gemacht wird: Zwangsbremsung wurde verwechselt mit Beeinflussung. Ist es wirklich so schwer, die Worte in der Fahrdienstvorschrift anzuwenden?
wie kann etwas verwechselt werden, was es nicht Definiert gibt? Es gab eine 2000Hz Beeinflussung mit anschließender PZB-Zwangsbremsung.
Um es in den Worten zu fassen: Ist es wirklich so schwer, die Worte des Regelwerks anzuwunden?

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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#35 Beitrag von Achim Adams »

Könnte mir gut vorstellen, dass im besagten Fall so oder so eine ähnliche Diskussion zwischen Fdl und Tf stattgefunden hat. Wortklaubereien an den Vorschriften, jeder beharrt auf seinem Standpunkt.
Dann kommt sowas bei rum.

F(R)S-Bauer
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#36 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Hallo,

als nicht-Bahner meine ich, das solche Fälle von Interpretationsversagen im Zweifel die Vorschrift abfangen sollte.
Meiner Meinung nach ist der FDL der Einzige der SICHER feststellen kann, ob weiter gefahren werden darf. Im Zweifel muss er einen Befehl schreiben.

In den Positionen sind einfache Mitarbeiter, keine Rechtswissenschaftler. Daher muss die Regelung "Hauptschulfest" sein.
Hier zeigt sich er, dass im modernen Rechtsgestützten Management der Pragmatische Blick fehlt.

(Das soll jetzt bitte keine Diskriminierung oder Herabwertung von Tätigkeiten sein)

Abendliche Grüße

Ralf

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Ronny
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#37 Beitrag von Ronny »

Mario R. hat geschrieben: 27.05.2023 18:29:15Zähle ich alle gefahrenen Meter in diesem von mir konstruierten Worst-Case-Szenario zusammen komme ich auf 22m nach Vorbeifahrt der Zugspitze am Signalstandort bis überhaupt von der Zwangsbremsung was zu merken ist.
Ist das dann eine Zwangsbremsung „am“ Hauptsignal, oder eine „nicht am Hauptsignal“?
Die PZB-Zwangsbremsung ist selbstverständlich am Hauptsignal erfolgt. Das wird der Tf gemeinsam mit dem Fdl feststellen, und zwar aus genau den Angaben, die Du gemacht hast: Der Tf weiß, wo sich der PZB-Magnet an seinem Tfz befindet. Aus dem Grund (gemeinsam feststellen) darf der Tf auch nicht ohne die Zustimmung des Fdl weiterfahren. Wollte man es in der FV ganz genau schreiben, kann die Regelung auch heißen: „Wenn die Zwangsbremsung bei Überfahren des Fahrzeugmagneten über den Gleismagnet eines Hauptsignals …“ Am Eisenbahnbetrieb sollten aber gut ausgebildete Mitarbeiter teilnehmen, denen man nicht vortanzen muß, wie man sich den Hintern abwischt. Wobei ich immer mehr den Eindruck habe, daß das nicht der Fall ist. Das geistige Niveau sinkt. Das sehen wir nicht nur bei den Neuzugängen. Und das sage ich nicht (nur) wegen dieser Diskussion, sondern diese Feststellung ist Bestandteil meiner Arbeit. Diese Feststellung habe ich auch nicht allein getroffen. Das ist auch nicht nur ein Eisenbahnproblem, sondern ein gesamtgesellschaftliches.

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 20:00:29Regelwerkstexte sind echt Wortklauberei. Manchmal kann ein Wort den Unterschied zwischen einer bestandenen Prüfung und einer Betriebsgefahr sein
Eine Zwangsbremsung ist nach 915 definiert. Hier wird aber explizit von einer PZB-Zwangsbremsung geschrieben, die 2014 neu in die 483 aufgenommen wurde.
Die Seiten der 408 sind von 2016, also kann man davon ausgehen, dass die 408 den Begriff explizit aus der 483 entnimmt.
Die Formulierungen („PZB-Zwangsbremsung an einem Hauptsignal“) in 408.0651 3 sind bereits über zwanzig Jahre alt. Nur das Sperrsignal und die Trapeztafel kamen etwas später dazu. Selbst zu Bundesbahn-Zeiten waren Zwangsbremsungen an Hauptsignalen bereits geregelt (§ 26 (28) c)). Der Zeitpunkt der Aufnahme dieser Formulierung ändert auch nichts am Sachverhalt.

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 20:00:29Des weiteren hat jede PZB-Zwangsbremsung eine vorausgehende Beeinflussung, auch bei einer 2000Hz Zwangsbremsung.
Wieso sollte man also jetzt eine Unterscheidung zwischen einer Beeinflussung und einer Zwangsbremsung machen, wenn selbst die 483 das nicht macht.
Es geht mitnichten jeder PZB-Zwangsbremsung eine PZB-Beeinflussung voraus. Davon abgesehen: Was eine PZB-Beeinflussung ist und was eine PZB-Zwangsbremsung ist, wird in 483.0101 2 (9) erläutert. Sollte man mal lesen, dann fällt der Unterschied zwischen Beeinflussung und Zwangsbremsung vielleicht auf. Es ist irrelevant, welche PZB-Beeinflussung der PZB-Zwangsbremsung vorausgegangen ist. Die PZB-Beeinflussungen habe ich nur ins Spiel gebracht für das Verständnis, warum die Wachsamkeitstaste für den Befehl keine Rolle spielt, und zur Erläuterung, warum die PZB-Zwangsbremsung wegen der nicht bedienten WT nicht am Hauptsignal erfolgt:
  • 2000 Hz: PZB-Zwangsbremsung unmittelbar am Hauptsignal (Fahrzeugmagnet über Gleismagnet).
  • 1000 Hz: PZB-Fahrzeugeinrichtung beginnt zu tickern, will eine Bedienhandlung des Tf haben, bemerkt nach 4/2,5 s, daß der Tf nicht reagiert und löst deswegen eine PZB-Zwangsbremsung aus – nicht am Hauptsignal (Fahrzeugmagnet nicht über Gleismagnet).
Tobias hat verstanden, wie PZB funktioniert.

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 20:00:29In der 483.0101 2 (9) c) wird geschrieben:
Eine 2000 Hz-Beeinflussung führt zu einer sofortigen PZB-Zwangsbremsung.
Hätte man das wort sofortigen in den Regeltext der 408 aufgenommen, dann wäre es halt richtig definiert, wurde es aber nicht.
„An einem Hauptsignal“ bedeutet nicht vier Sekunden dahinter. Ich versuche es mal mit einem Gleichnis: Du fährst mit dem Fahrrad auf einer kurvigen Straße im Gebirge. Unmittelbar vor dem Abgrund macht die Straße einen Bogen und führt weiter entlang der Klippe. Lenkst Du an der Stelle des Bogens, dann fährst Du weiter auf der Straße. Lenkst Du vier Sekunden später, liegst Du im Tal. Willst Du mir jetzt erzählen, daß Du immer noch auf der Straße unterwegs bist? „Am Hauptsignal“ bedeutet am Hauptsignal. – In dem Moment der Vorbeifahrt, nicht vier Sekunden davor oder vier Sekunden dahinter. Es ist nicht notwendig, das mit Füllwörtern wie „sofort“, „direkt“, „unmittelbar“ auszukleiden, weil die FV kein Gedichtbuch ist. Die Formulierung „Zwangsbremsung an einem Hauptsignal“ ist eindeutig, sie hat nur eine einzige Bedeutung: Die PZB-Zwangsbremsung geschah am Signal, nicht vier Sekunden später.

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 21:24:44Dass es sich im Betrieb eingebürgert hat zu sagen, dass man eine 1000-Hz Beeinflussung hat oder eine 500er oder eine restriktive wird in dem Fall aber nicht vom Regelwerk abgedeckt.
Weil die Art der PZB-Beeinflussung keine Rolle spielt für die Art der Zustimmung zur Weiterfahrt. Entscheidend ist die Stelle der PZB-Zwangsbremsung, nicht der Grund der PZB-Zwangsbremsung.

Sagst Du auch, Du hast am Vorsignal eine PZB-Zwangsbremsung bekommen, wenn Du beim Vorsignal vergessen hat, die WT zu bedienen?

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 21:24:44
In der Bahnpraxis wurde derselbe Fehler gemacht, der auch sonst immer gemacht wird: Zwangsbremsung wurde verwechselt mit Beeinflussung. Ist es wirklich so schwer, die Worte in der Fahrdienstvorschrift anzuwenden?
wie kann etwas verwechselt werden, was es nicht Definiert gibt? Es gab eine 2000Hz Beeinflussung mit anschließender PZB-Zwangsbremsung.
Um es in den Worten zu fassen: Ist es wirklich so schwer, die Worte des Regelwerks anzuwunden?
In der Bahnpraxis ist die Rede von einer nicht bedienten Wachsamkeitstaste, nicht von einer 2000-Hz-Beeinflussung.

Takato hat geschrieben: 27.05.2023 21:24:44Für dich sind es zwei unterschiedliche paar Schuhe, aber nicht nach Regelwerk.
Diese These belege mal mit einer Regelwerksfundstelle.

F(R)S-Bauer hat geschrieben: 27.05.2023 23:08:49Hier zeigt sich er, dass im modernen Rechtsgestützten Management der Pragmatische Blick fehlt.
Das hat mit unserer Zeit nichts zu tun. Die Regelung ist alt. Das Problem ist die falsche Interpretation der Formulierung „am Hauptsignal“, bzw. daß da überhaupt etwas hineininterpretiert wird. Es wird die Beeinflussung (die am Signal erfolgt) mit der Zwangsbremsung (die nicht am Signal erfolgt) gleichgesetzt. Und das liegt vor allem daran, daß den Mitarbeitern es seit Jahren falsch gelehrt wird. Die Leute sind so sehr darauf konditioniert, daß das ein pawlowscher Reflex ist.

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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#38 Beitrag von Achim Adams »

Alleine die Formulierung "falsche Interpretation" impliziert, dass es mindestens eine oder sogar mehrere andere Interpretationen gibt, die sich allesamt aus dem Vorschriftentext irgendwie ableiten und begründen lassen.

Die von dir genannte "falsche Interpretation" zieht sich allerdings hoch bis zu den Eisenbahnbetriebsleitern, die dann in solchen Fällen verlangen dass wir als Tf einen Befehl einfordern sollen. Andernfalls wird man auch mal zu einem belehrenden Gespräch einbestellt (wo dann wieder die "falsche Interpretation" belehrt wird). Auch das Eisenbahnbundesamt ist da obgleich "falscher Interpretation" derzeit schwer hinterher, und prüft nach ob tatsächlich in besagten Situationen ein Befehl verlangt resp. erteilt wurde. Mindestens ein EVU in unserem näheren Umkreis wurde bereits deswegen auf links gekrempelt.

Mag sein, dass dieser Vorfall jetzt dergestalt eskaliert ist, dass nunmehr eine eindeutige und klare Regelung getroffen wird, kruse Wortklaubereien und verschiedenartige Interpretationen beiseite gelegt werden.

Takato
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#39 Beitrag von Takato »

Ich habe leider keinen Zugriff auf ältere Fahrdienstvorschriften.
Was ich aber gefunden habe ist eine BahnPraxis von 02/2003, wo es die Änderung von den alten DS/DV 408 auf die KoRil 408 gab.
Darin ist ein Artikel von Dirk Enders, heutiger Fachautor der 408.
Grob geht es darum, dass an einem Hauptsignal mit Vorsignalfunktion eine PZB Zwangsbremsung ausgelöst wurde und man nicht sicher sagen kann ob 1000 oder 2000Hz, da eine Störung nicht ausgeschlossen werden kann Streckenseitig.
Und auch da schreibt Dirk Enders, dass es einen Befehl braucht.
Warum sollte es so differenziert da Betrachtet werden, wenn man doch eine 2000Hz von einer 1000Hz Zwangsbremsung zu 100% unterscheiden kann?
Ja, in Mering hat der Tf gesagt, dass er die Wachsamkeitstaste vergessen hat, aber theoretisch hätte es auch eine verdeckte 1000Hz Beeinflussung gewesen sein können.

F(R)S-Bauer
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#40 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Hallo,

am Ende des Tages wird es irgend zwei Mitarbeitern gelangt haben, dass Sie immer dafür gerade stehen müssen und haben auf Stur geschaltet.
Jeder hat sicher gute Gründe dafür.

Es ist zu hinterfragen, ab solche elementaren Schulungen in der Hand der Firmen verbleiben sollten, und nicht eine zentrale Einrichtung dafür sorgen sollte.
Hier ist zu viel des Marktes am Werke.

Gruß

Ralf

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