Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#81 Beitrag von Achim Adams »

Also erstmal geht es nicht nur um Zwangsbremsungen weil ein haltzeigendes Signal überfahren wurde, sondern um jede Art von PZB-Zwangsbremsungen. Also die vergessene Wachsamtaste, übersehenes Wechselblinken, knapp über der Prüfgeschwindigkeit gewesen, ebenso wie gestörte und zur Unzeit wirksame Streckeneinrichtung. Weiterhin handelt es sich wirklich um eine verschwindend geringe Zahl an Fällen, in denen keine Kontaktaufnahme erfolgt. Ein "einfaches Gespräch" hört sich erstmal banal an, ist es aber nicht. Da sind verschiedene Leute aus Betriebsleitung, vielleicht auch Personalabteilung und Betriebsrat anwesend, die Belehrung geht auch in die Personalakte ein. Wer es dann immer noch nicht begriffen hat, dem ist dann auch nicht mehr zu helfen.

Nachzugler
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#82 Beitrag von Nachzugler »

Achim Adams hat geschrieben: 27.08.2023 12:18:08 Also erstmal geht es nicht nur um Zwangsbremsungen weil ein haltzeigendes Signal überfahren wurde, sondern um jede Art von PZB-Zwangsbremsungen.
Genau das meine ich ja. Da gibt es kein Ermessen, da gibt es kein Vertun, da gibt es keine Missverständnisse und keine Abwägung.
Achim Adams hat geschrieben: 27.08.2023 12:18:08 Wer es dann immer noch nicht begriffen hat, dem ist dann auch nicht mehr zu helfen.
Mir kommt es sehr unklug vor, dass man jemandem, der schon vorsätzlich eine wichtige Sicherheitsregel missachtet hat, nochmal die Chance gibt zu zeigen, ob er es begriffen hat. Anders gesagt ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, jemanden, der absichtlich Sicherheitsregeln missachtet, die wegen Unfällen eingeführt wurden, weiterfahren zu lassen. Der hat doch schon gezeigt, dass er in kritischem Maße nicht bereit ist, sich an Regeln zu halten.
Natürlich gibt es Regeln, die auch auf den zweiten Blick sinnlos sind, aber die Meldung beim Fahrdienstleiter ist es ja gerade nicht.

PS: Wann wurde die Regel jetzt eingeführt. Ich dachte, gestern gelesen zu haben (nebenbei, in einem Unfallbericht), dass das nach dem Unfall von Mannheim 2000 eingeführt wurde. Es gab aber anscheinend 2000 in Mannheim keinen schweren Unfall.

LMH
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#83 Beitrag von LMH »

2014 gabs in Mannheim die Flankenfahrt zwsichen einem Gz und EC216

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Carsten Hölscher
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#84 Beitrag von Carsten Hölscher »

Da gab's die Regelung aber schon.

Es gibt schon genug Situationen, bei denen der Anruf nichts bringt, z.B. wenn man am 500er eine gewischt bekommt und vor dem klar und deutlich Hp2-zeigenden Hsig zum stehen kommt.
Aber man wollte wohl eine einfache Regelung und darum muss man immer anrufen.

Carsten

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Johannes
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#85 Beitrag von Johannes »

Nachzugler hat geschrieben: 27.08.2023 19:49:35 PS: Wann wurde die Regel jetzt eingeführt. Ich dachte, gestern gelesen zu haben (nebenbei, in einem Unfallbericht), dass das nach dem Unfall von Mannheim 2000 eingeführt wurde. Es gab aber anscheinend 2000 in Mannheim keinen schweren Unfall.
Der Unfall 2000 war in Hannover (Untersuchungsbericht: https://www.eisenbahn-unfalluntersuchun ... le&v=5)

Nachzugler
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#86 Beitrag von Nachzugler »

Johannes hat geschrieben: 27.08.2023 20:06:15
Nachzugler hat geschrieben: 27.08.2023 19:49:35 PS: Wann wurde die Regel jetzt eingeführt. Ich dachte, gestern gelesen zu haben (nebenbei, in einem Unfallbericht), dass das nach dem Unfall von Mannheim 2000 eingeführt wurde. Es gab aber anscheinend 2000 in Mannheim keinen schweren Unfall.
Der Unfall 2000 war in Hannover (Untersuchungsbericht: https://www.eisenbahn-unfalluntersuchun ... le&v=5)
Danke. Richtiges Jahr, falsche Stadt.

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Michael Springer
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#87 Beitrag von Michael Springer »

Und trotz der Regel gibts den Faktor Mensch, siehe Münchner S-Bahn.

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Carsten Hölscher
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#88 Beitrag von Carsten Hölscher »

Ich meine aber, das kam in 2 Stufen. Erst nur wenn's am Hsig passiert (nach Hannover) und dann später bei jeder Zwangsbremsung.

Carsten

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Johannes
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#89 Beitrag von Johannes »

Vor Hannover gab es bereits die Regelung, bei Zwangsbremsung am Hsig anzurufen. Nach Hannover hat das EBA gesagt, dass man offenbar dem Tf nicht zutrauen kann, alleine zu erkennen, ob die Zwangsbremsung am Hsig eingetreten ist. Es hat die DB daher angeordnet(!), das Regelwerk entsprechend zu ändern. Siehe den verlinkten Untersuchungsbericht.

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Carsten Hölscher
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#90 Beitrag von Carsten Hölscher »

Hab ne 408 von 2003, da ist es so. Dann war der nötige Befehl die 2. Eskalation, das gab's 2003 noch nicht.

Carsten

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Ronny
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#91 Beitrag von Ronny »

Die zwingende Verständigung des Fdl und der Befehl nach Zwangsbremsung am Hauptsignal waren da schon lange keine Neuigkeit mehr. Das gab es beides schon zu Bundesbahnzeiten ab 1984 im § 60:
Bild
§ 27 (5) b): „Zug (Nummer) fährt nach Vorbeifahrt am Signal (Bezeichnung) ohne Hauptsignal weiter“.

Vor 1984 ist man nach Zwangsbremsung am Hauptsignal bis zum nächsten Hauptsignal auf Sicht weitergefahren (ohne Verständigung des Fdl). Bei unzulässiger Vorbeifahrt wurde mit Befehl Ab („fährt vorbei am“) der Weiterfahrt zugestimmt.

Ab 15.06.2003 galt Bekanntgabe 1 der FV (Neudruck). Neu war bloß die Verständigung des Fdl jetzt nicht mehr nur nach PZB-Zwangsbremung an einem Hauptsignal, sondern bei jeglicher PZB-Zwangsbremsung. Man hat nur die Modulnummern neugewürfelt:
  • bis 14.06.2003 408.0611 (1) b),
  • ab 15.06.2003 408.0651 3.
Auf den Befehl für die Weiterfahrt gemäß 408.0531 wird in beiden Versionen verwiesen. Bereits zu Zeiten des Unfalls in Hannover war also eine Verständigung des Fdl und ein Befehl für die Weiterfahrt erforderlich, selbst wenn das Hauptsignal bei Vorbeifahrt einen Fahrtbegriff zeigte.

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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#92 Beitrag von Achim Adams »

Nachzugler hat geschrieben: 27.08.2023 19:49:35 Mir kommt es sehr unklug vor, dass man jemandem, der schon vorsätzlich eine wichtige Sicherheitsregel missachtet hat, nochmal die Chance gibt zu zeigen, ob er es begriffen hat. Anders gesagt ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, jemanden, der absichtlich Sicherheitsregeln missachtet, die wegen Unfällen eingeführt wurden, weiterfahren zu lassen. Der hat doch schon gezeigt, dass er in kritischem Maße nicht bereit ist, sich an Regeln zu halten.
Man muss demjenigen schon die Chance geben seine Sichtweise darzustellen, wieso und warum er so gehandelt hat. Vielleicht gibt es ja eine ganz vernünftig nachvollziehbare und plausible Begründung.
Weiterhin kann man nicht jeden sofort wegen einer einzelnen Fehlhandlung aus dem Verkehr ziehen, und von derer möglichen gibt es sehr viele! Meistens ist das auch kein Vorsatz, sondern kurze Unaufmerksamkeit oder Augenblicksversagen. Soll wegen einem einzelnen Verstoß gegen die Weichenbereichregel, oder wegen einer einzelnen missachteten H-Tafel der Führerschein entzogen werden? Auch hier muss zunächst die Chance gegeben werden, sein Verhalten zu reflektieren und anzupassen. In den allermeisten Fällen fruchtet das ja auch. Und selbstverständlich werden diese Kollegen in der nächsten Zeit besonders überwacht.

Erst wenn trotz Gesprächen, trotz Nachschulungen und trotz aller Maßnahmen vorsätzlich und ganz bewusst und massiv gegen immer wieder die gleichen Sachen verstoßen werden, oder der Delinquent sich absolut uneinsichtig zeigt, dann sind Zweifel an der charakterlichen Eignung zu ziehen. Das ist wiederum die absolute Ausnahme! Die mir bekannten Kollegen bei denen das in den letzten 15 Jahren durchgesetzt werden musste, lassen sich an einer Hand abzählen.

butsche
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#93 Beitrag von butsche »

[quote=Nachzugler post_id=349749 time=1693158575 user

Mir kommt es sehr unklug vor, dass man jemandem, der schon vorsätzlich eine wichtige Sicherheitsregel missachtet hat, nochmal die Chance gibt zu zeigen, ob er es begriffen hat. Anders gesagt ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, jemanden, der absichtlich Sicherheitsregeln missachtet, die wegen Unfällen eingeführt wurden, weiterfahren zu lassen. Der hat doch schon gezeigt, dass er in kritischem Maße nicht bereit ist, sich an Regeln zu halten.
Natürlich gibt es Regeln, die auch auf den zweiten Blick sinnlos sind, aber die Meldung beim Fahrdienstleiter ist es ja gerade nicht.


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Bei einem vorsätzlichem Verstoß stimmt ich einem Entzug der Berechtigung zu, aber wie , und wer will das beweisen?

Wenn das im Strassenverkehr Anwendung finden würde, dürften auch einige Tf zu Fuss zur Arbeit gehen.......
Mit freundlichen Grüßen
Butsche

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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#94 Beitrag von Wolfgang E. »

butsche hat geschrieben: 28.08.2023 07:55:38 Wenn das im Strassenverkehr Anwendung finden würde, dürften auch einige Tf zu Fuss zur Arbeit gehen.......
Ich denke, es gäbe keinerlei Staus mehr. Die motorisierte Verkehrsdichte wäre wieder wie vor 100 Jahren.

Ich glaube das Problem muss man eher in der Ausbildung und der Personalauswahl suchen. Wenn man solche Unfälle anschaut und man möge mich korrigieren, dann sind sie immer Tf passiert, die noch nicht lange ihre Berechtigung hatten und die im Vergleich zu den alten Staatsbahnen in erstaunlich kurzer Zeit ausgebildet wurden. Wie kann man auf die bescheuerte Idee kommen, wenn man eine Zwangsbremsung bekommen hat und nicht genau weiß, warum, einfach weiter zu fahren? Das kann man doch nur verantworten, wenn man den Grund sicher kennt, wie zu schnell über einen GPA gefahren oder Bremskurve nicht eingehalten. Da das manchen Tf aber anscheinend nicht klar ist, werden nach leicht vermeidbaren Unfällen solche Regeln eingeführt. Damit ist die Eisenbahn aber leider auch nicht alleine, sondern es scheint eine gesellschaftliche Entwicklung zu sein. Mal schauen, wohin das geht.

Viele Grüße Wolfgang

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Leif K.
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#95 Beitrag von Leif K. »

Hallo Wolfgang,

Dein Programm zur Reduktion der Staudichte auf der Straße hat etwas für sich :rofl

Aber ernsthaft, diese Diskussion ist ja selbst bei der Bahn nicht neu. Wenn man sich die beiden BÜ-Unglücke von Lauffen 1959 und Mü-Allach 1975 anschaut, hat dort auch in beiden Fällen ein relativ neu im Schrankendienst eingesetzter und objektiv ungeeigneter Wärter mit schlechter Ausbildung versagt. Nur ist diese gesamte Berufsgruppe mittlerweile nahezu ausgestorben.

Der subjektive Umgang mit Verantwortungsbewusstsein, Selbstkritik und eigenen Fehlern ist in der Tat ein Problem, das aktuell gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist. Trotzdem sollten wir natürlich gerade im Eisenbahnbetrieb immer für sinnvolle Möglichkeiten 1.) der Fehlerkorrektur und 2.) mehr noch der Fehlervermeidung offen sein.
„Die Neugier steht immer an erster Stelle des Problems, das gelöst werden soll.“ (Galileo Galilei). Oder schlichter gesagt: Bei ehrlicher Neugier gibt es keine dummen Fragen.

Danke & Beste Grüße, Leif

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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#96 Beitrag von butsche »

Leif K. hat geschrieben: 28.08.2023 13:53:22 Hallo Wolfgang,

Dein Programm zur Reduktion der Staudichte auf der Straße hat etwas für sich :rofl

Aber ernsthaft, diese Diskussion ist ja selbst bei der Bahn nicht neu. Wenn man sich die beiden BÜ-Unglücke von Lauffen 1959 und Mü-Allach 1975 anschaut, hat dort auch in beiden Fällen ein relativ neu im Schrankendienst eingesetzter und objektiv ungeeigneter Wärter mit schlechter Ausbildung versagt. Nur ist diese gesamte Berufsgruppe mittlerweile nahezu ausgestorben.

Der subjektive Umgang mit Verantwortungsbewusstsein, Selbstkritik und eigenen Fehlern ist in der Tat ein Problem, das aktuell gesamtgesellschaftlich zu beobachten ist. Trotzdem sollten wir natürlich gerade im Eisenbahnbetrieb immer für sinnvolle Möglichkeiten 1.) der Fehlerkorrektur und 2.) mehr noch der Fehlervermeidung offen sein.
Mal eine Frage, gibt es bei der DB eigentlich "Human Factor Schulungen " ? In Bereichen von sicherheitsrelevanten Berufen gibt es eine Basisschulung und Refresher in gewissen Abständen. Das soll der Sensibilisierung für mögliche Gefahren/ Risikofaktoren und Wahrnehmung schärfen . In der Luftfahrt ist es vorgeschrieben .
Mit freundlichen Grüßen
Butsche

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Ronny
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#97 Beitrag von Ronny »

Leif K. hat geschrieben: 28.08.2023 13:53:22Aber ernsthaft, diese Diskussion ist ja selbst bei der Bahn nicht neu. Wenn man sich die beiden BÜ-Unglücke von Lauffen 1959 und Mü-Allach 1975 anschaut, hat dort auch in beiden Fällen ein relativ neu im Schrankendienst eingesetzter und objektiv ungeeigneter Wärter mit schlechter Ausbildung versagt. Nur ist diese gesamte Berufsgruppe mittlerweile nahezu ausgestorben.
Gerade die kurze Funktionsausbildung („Quereinsteiger“) ist für die Qualität der Arbeit nicht förderlich, weil nicht genügend Systemwissen vermittelt wird. Ständig auf Halt fahren lassen, weil man als Fdl die Funktionsweise der PZB nicht umfassend beigebracht bekommt, ist z. B. ein solches Thema. Aber die Tätigkeiten am eigenen Arbeitsplatz sicher (nur halt nicht qualitativ hochwertig) durchführen, sollte man selbst mit nur Funktionsausbildung können. Was mich erschreckt, sind oft die Alten. Da wird gestritten, daß diese und jene Vorschrift unsinnig ist und man sich deswegen nicht daran hält. Und dieses und jenes braucht man nicht, weil man ja wisse, was man tue. Ein Kollege hat es einmal treffend formuliert: Es hat nur nicht geknallt, weil der letzte Zug vor einer Stunde gefahren ist, anstatt vor fünf Minuten. Wenn ich ein neues Stellwerk dazubekam, habe ich von alten Reichsbahnern nicht nur einmal gehört „führe hier keine neuen Moden ein!“, obwohl ich einfach nur gemacht habe, was in dem dicken Ordner verlangt wird.

butsche hat geschrieben: 28.08.2023 14:58:21Mal eine Frage, gibt es bei der DB eigentlich "Human Factor Schulungen " ? In Bereichen von sicherheitsrelevanten Berufen gibt es eine Basisschulung und Refresher in gewissen Abständen. Das soll der Sensibilisierung für mögliche Gefahren/ Risikofaktoren und Wahrnehmung schärfen . In der Luftfahrt ist es vorgeschrieben .
„MOF“ (menschliche und organisatorische Faktoren) steht bei Eisenbahns gerade erst am Anfang. Das ist aber bereits in Arbeit. Momentan ist man da noch beim Herantasten, aber ab nächstem Jahr wird das wohl eine feste Größe sein.

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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#98 Beitrag von Achim Adams »

Die Funktionsausbildung ist nicht per se schlechter, sie ist halt anders. Die meisten Kollegen die eine Funktionsausbildung durchlaufen haben sind ganz hervorragende Eisenbahner geworden. Einige davon sind mittlerweile selbst Ausbilder oder sogar Betriebsleiter geworden. Andererseits hatten wir leider auch einige völlig trötige EiB, die wir leider entsorgen mussten. Der Erfolg steht und fällt mit dem persönlichen Interesse am System "Eisenbahn". Da gehört dann auch dazu, dass man sich als Fdl mal genauer mit der PZB auseinandersetzt. Wer sich für das System "Eisenbahn" interessiert, schafft das locker auch in der Funktionsausbildung. Wer sich nicht wirklich dafür interessiert, schnallt das auch in 10 Jahren nicht.

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Achim Adams
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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#99 Beitrag von Achim Adams »

Und nochmal ein Blick zurück auf die Historie, warum hat die Ausbildung, beispielsweise bei der Bundesbahn, so lange gedauert?

Grundsätzlich der Theorieteil war damals nicht wesentlich mehr als heute auch, das war damals schon in wenigen Wochen abgehandelt.

Dazu kam dann ein ganzer Brocken "Beamten-Ausbildung", man musste ja wissen was man als Beamter, auch privat, zu tun und zu lassen hatte.

Weiterhin wurde dem technischen Teil eine wesentliche Bedeutung zuteil, weil man ja damals noch viel mehr im Störungsfalle herumbasteln konnte als heute. Das ganze dann auf verschiedenen Baureihen, man sollte ja möglichst breit aufgestellt sein, das dauert halt seine Zeit. Da hatte man pro Baureihe 4 bis 6 Wochen Theorie, und anschließend 4 bis 6 Wochen praktischer Dienst. Da geht die Zeit schnell ins Land. Der Lokführer zu der Zeit musste noch ein Universalgenie sein, und nicht wie heute ein Spezialist auf eng begrenztem Gebiet.

Was würdet ihr persönlich heute vorziehen? 18 Monate Ausbildung mit einem geringen Grundgehalt, oder 6 Monate Ausbildung mit Grundgehalt, alle folgenden Weiterbildungen mit vollem Gehalt? Beispielsweise die Module "Grundlagen E-Traktion" oder "Grundlagen energiesparende Fahrweise" durfte ich schon als fertiger Tf bei vollem Gehalt genießen. Hätte man ja auch in die Ausbildung mit reinhängen können.

Übrigens gab es auch zu Bundesbahnzeiten schon die Laufbahn des "Triebwagenfahrers", welche beschleunigt und auf das Wesentliche für die Verwendung konzentriert war. Überflüssiger Schnickschnack wie "Wagenprüfer" wurde da schon weggelassen.

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Re: Diverse nichttechnische Fragen zur echten Bahn

#100 Beitrag von Nachzugler »

Danke für die Antwort auf meine Frage. Wir könnten hier darüber noch weiterdiskutieren, aber ich glaube, das ist nicht nötig.
Zwei Dinge wollte ich aber zum Abschluss noch klarstellen.
Natürlich bin ich auch der Meinung, dass nach den Gründen für das Fehlverhalten gefragt werden sollte. Aber dass es durchaus normal sein soll, dass das ausreicht, wenn nicht äußere Gründe für die Weiterfahrt bestehen, halte ich für bedenklich. Gerade auch mit der Entschuldigung Fahrlässigkeit oder Augenblicksversagen. Wie kann man fahrlässig die Zwangsbremsung aufheben und wieder beschleunigen? Dafür sind mindestens zwei mehr oder weniger gezielte Handlungen erforderlich. Gestolpert und aus Versehen genau die beiden Hebel erwischt?
Und, wie ich schon schrieb, geht es mir nicht um Fehler, die mal passieren können. Über haltzeigendes Signal gerutscht, Vorsignal oder irgendein Zeichen übersehen, nicht auf die Geschwindigkeit geachtet, kann alles passieren. Das halte ich aber für etwas anderes, als mit genügend Zeit (und die hat man ja, während sich die Hauptluftleitung wieder füllt) gezielt eine Reihe von Handlungen durchzuführen.

Das ist meine Meinung. Ich versuche, das nicht weiterzudiskutieren, weil zumindest von meiner Seite alles gesagt wurde (und meine Meinung zu dem Thema praktisch keine Relevanz hat).

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