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Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 11.01.2022 22:07:18
von Duncan
Moin mich hat mal interessiert, wie lange ein Tf am Stück am Steuer sitzen darf, bevor er eine Pause machen MUSS?! Gibt es da ein festgeschriebenes Gesetz oder ist das vom EVU abhängig? Habt ihr da vielleicht persönliche Referenzen, weil ihr als Tf arbeitet, vielleicht in unterschiedlichen EVUs?

Grüße,

Duncan

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 11.01.2022 23:13:01
von Achim Adams
Das steht im Arbeitszeitgesetz. Da gibt es keine Unterschiede zu anderen Berufen. Also grundsätzlich maximal 10 Stunden am Tag mit den entsprechenden Pausen, sowie den entsprechenden Ruhezeiten zwischen zwei Schichten.
Ergänzungen hierzu lassen sich allerdings im Tarifvertrag regeln.

Lenk- und Ruhezeiten wie im Lkw-Verkehr gibt es nicht.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 12.01.2022 02:42:05
von Duncan
Achim Adams hat geschrieben: 11.01.2022 23:13:01 Lenk- und Ruhezeiten wie im Lkw-Verkehr gibt es nicht.
Ah ok, das wollte ich wissen. Vielen Dank. Also kann ein TF wirklich solange wie nötig am Stück am Steuer "gehalten" werden, solange in der Schicht die gesetzlichen Pausen einhält? Krass, da ist man doch irgendwann total fertig?!

Grüße,

Duncan

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 12.01.2022 11:28:26
von Achim Adams
Die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten im Lkw-Bereich rühren daher, dass dort auf Sicht gefahren wird. Der Fahrer muss sich ständig darauf konzentrieren auf der Spur zu bleiben, und nicht plötzlich in den Graben oder in den Gegenverkehr zu geraten. Auch muss dort ständig der andere Verkehr beobachtet und das Fahrverhalten darauf ständig angepasst werden. Durch eine exorbitante Häufung von Unfällen die eindeutig auf Übermüdung zurückzuführen waren, sah sich der Gesetzgeber gezwungen diesbezüglich eine Regelung zu schaffen.

Bei der Eisenbahn wird spurgeführt und signalgeführt bzw. anzeigegeführt gefahren, ein abdriften in den Graben oder in den Gegenverkehr oder ein gefährliches Zunahekommen ist so nicht möglich. Außerdem gibt es bei der Eisenbahn technische Überwachungen (Sifa, PZB) die grobe Fahrfehler und Übermüdung weitestgehend frühzeitig erkennen und zur Zwangsbremsung führen. Weiterhin sind bei der Eisenbahn keine nennenswerte Unfälle passiert die auf Übermüdung oder Überlastung zurückzuführen gewesen wären. Eine diesbezügliche gesetzliche Regelung ist daher nicht nötig, das Arbeitszeitgesetz ist hierzu völlig ausreichend.

Bei einigen EVU existieren allerdings interne Regelungen, die die reine Fahrzeit (ohne Pause) auf unter 6 Stunden begrenzen, oder die Ruhezeiten zwischen zwei Schichten über die gesetzlichen 11 Stunden hinaus verlängern.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 12.01.2022 20:55:14
von F. Lehmann
Achim Adams hat geschrieben: 12.01.2022 11:28:26 Weiterhin sind bei der Eisenbahn keine nennenswerten Unfälle passiert die auf Übermüdung oder Überlastung zurückzuführen gewesen wären.
Ein einziger aus der jüngeren Vergangenheit fällt mir ein:
Mannheim Hbf am 01. August 2014.

Aber ja, dieser eine ist, bemessen an der Gesamtzahl der Unfälle seit Bestehen der DB und DB AG, tatsächlich keine nennenswerte Anzahl. Der Unfall an sich ist durchaus nennenswert, weil er ein betriebliches Schaustück ist und angesichts des Hergangs und der folgenden Entgleisungen vergleichsweise glimpflich ausgegangen ist.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 13.01.2022 00:21:24
von Achim Adams
Der in Mannheim mag wegen Übermüdung über das erste Signal gefahren sein. Das allein hat aber nicht zum Unfall geführt. Ausschlaggebend für den Unfall war, dass er sich in der Folge nicht an die betrieblichen Regeln nach einer Zwangsbremsung gehalten hat.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 14:25:34
von Matthias Z.
Hallo,
Es gibt vom EBA einen Untersuchungsbericht zu diesem Unfall. Der ist lesenswert.
LG Matthias

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 16:58:22
von Thomas F.
Matthias Z. hat geschrieben: 14.01.2022 14:25:34 Hallo,
Es gibt vom EBA einen Untersuchungsbericht zu diesem Unfall. Der ist lesenswert.
LG Matthias
Moinsen,
das ist er:
https://www.eisenbahn-unfalluntersuchun ... m_Hbf.html

Thomas F.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 17:10:31
von Thomas U.
Matthias Z. hat geschrieben: 14.01.2022 14:25:34Der ist lesenswert.
Lesenswert sind immer nur die, die einem bei einem Glas Wein vorgelesen werden :D

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 17:17:20
von Thomas F.
Thomas U. hat geschrieben: 14.01.2022 17:10:31
Matthias Z. hat geschrieben: 14.01.2022 14:25:34Der ist lesenswert.
Lesenswert sind immer nur die, die einem bei einem Glas Wein vorgelesen werden :D
Moin,
bei einem Glas Wein/ Bier . . . . :hat2 Teilweise mit leichter Vokalverschleifung :hat3

Thomas F.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 19:34:21
von Nachzugler
Matthias Z. hat geschrieben: 14.01.2022 14:25:34 Hallo,
Es gibt vom EBA einen Untersuchungsbericht zu diesem Unfall. Der ist lesenswert.
LG Matthias
Findest du? Ich fand den eher schwierig lesbar. Die meisten anderen Berichte, dich ich gelesen habe, fand ich irgendwie strukturierter und mit weniger Wiederholungen.
Achim Adams hat geschrieben: 13.01.2022 00:21:24 Der in Mannheim mag wegen Übermüdung über das erste Signal gefahren sein. Das allein hat aber nicht zum Unfall geführt. Ausschlaggebend für den Unfall war, dass er sich in der Folge nicht an die betrieblichen Regeln nach einer Zwangsbremsung gehalten hat.
Für mich als Laie ist es schon von Anfang an merkwürdig, bestätigt durch den Unfall, dass manchmal die Signale links gelten und manchmal rechts. Kommt es dadurch wirklich nicht öfter zu Fehlern? Mir kommt das ziemlich fehleranfällig vor.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 14.01.2022 22:39:33
von Matthias Z.
Hallo,
Wo die Signale stehen, lernt man ja während der Streckenkunde. Generell stehen die Signale immer rechts. Außer im Gegengleis. Und ansonsten gibt es die Schachbretttafel, die Dir mitteilt, dass das Signal an einem anderen als dem gewöhnlichen Standort steht. Laut der Untersuchung hatte der Lokführer Streckenkenntnis. Der Hauptfehler liegt einfach bei der nicht erfolgten Meldung nach der Zwangsbremsung. Auch das Anfahren nach nicht mal einer Minute fand ich seltsam. In der Zeit füllt sich kein Zug und löst nicht komplett aus. Weder in P geschweige denn on G.
Trotzdem würde ich niemals behaupten, dass einem das nie passieren kann. Das sollte es nie. Aber die Bahn wird eben auch von Menschen betrieben und Menschen können Fehler machen.
Im Ernstfall kommt man besser, wenn man sich kurz sammelt und zur Not mal ein paar Minuten steht und dann weiter entscheidet.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 15.01.2022 04:22:22
von Achim Adams
Dass die Untersuchungsberichte "lesenswert" sind bedeutet noch lange nicht dass die "einfach zu lesen" sind. Das schließt auch gegenseitig nicht aus. Diese Berichte sind nicht dazu da, um unkundiges Publikum zu bespaßen, sondern richten sich an sach- und fachkundige Leser. Diesen Bericht zu Mannheim haben wir im Regelmäßigen Fortbildungsunterricht (RFU) in Teilen besprochen, weil das eben ein Malheur ist was uns als Tf jederzeit selbst treffen kann (Signalverwechslung, Zwangsbremsung aus unklarer Ursache, Verhalten nach Zwangsbremsung). Diese Berichte haben auch nicht den Zweck um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen "du hast was falsch gemacht", sondern "hier wurde etwas falsch gemacht, was kann man tun um solche Fehler zukünftig zu vermeiden?"

Das Signale mal links und mal rechts stehen ist teilweise aus baulichen Gründen gar nicht anders möglich, über derlei Besonderheiten ist man als Tf erstens geschult, zweitens durch Streckenkunde hingewiesen bzw. durch schriftliche Unterlagen (Streckenbuch) informiert. Gerade in Knotenpunkten ist man auch mit Streckenkunde immer wieder auf der Suche "welches ist denn nun mein Signal?", und im Zweifel sollte die Antwort dann "das Rote" lauten.

Oder wie einer unserer Ausbilder immer sagte: "Das unterscheidet Sie von einem dressierten Affen."

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 16.01.2022 15:07:28
von Oliver Lamm
Achim Adams hat geschrieben: 11.01.2022 23:13:01 Das steht im Arbeitszeitgesetz. Da gibt es keine Unterschiede zu anderen Berufen. Also grundsätzlich maximal 10 Stunden am Tag mit den entsprechenden Pausen, sowie den entsprechenden Ruhezeiten zwischen zwei Schichten.
Ergänzungen hierzu lassen sich allerdings im Tarifvertrag regeln.

Lenk- und Ruhezeiten wie im Lkw-Verkehr gibt es nicht.
Hi,
hier muss ich Dir leider widersprechen. Es ist zwar nicht gesetzlich verankert, aber es gibt Tarifverträge und da ist das sehr wohl festgelegt.
Unterschieden wird hier die Zuggattung, so z.B. bei uns im Betrieb (GDL): Regionalzug max. 5 ununterbrochene Fahrleistung, max. 9h pro Schicht in Summe. Bei S-Bahn-Verkehren sind es 8h30 pro Tag.

Oli

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 16.01.2022 16:13:00
von Achim Adams
So habe ich das auch geschrieben, und so hast du mich sogar zitiert.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 16.01.2022 19:50:00
von Nachzugler
Matthias Z. hat geschrieben: 14.01.2022 22:39:33 Wo die Signale stehen, lernt man ja während der Streckenkunde.
Streckenkunde gilt ja, soweit ich weiß, ein Jahr lang. Es ist also durchaus möglich, dass jemand die Strecke sechsmal befährt und dann zehn Monate nicht mehr. Erinnert er sich danach noch an alle Einzelheiten? Wie gesagt, vielleicht stelle ich als Laie es mir falsch vor und es gibt praktisch nur diesen einen Fall, wo dieses Problem auftrat.
Achim Adams hat geschrieben: 15.01.2022 04:22:22 Dass die Untersuchungsberichte "lesenswert" sind bedeutet noch lange nicht dass die "einfach zu lesen" sind. Das schließt auch gegenseitig nicht aus. Diese Berichte sind nicht dazu da, um unkundiges Publikum zu bespaßen, sondern richten sich an sach- und fachkundige Leser.
Wie ich schrieb, habe ich schon ein paar Berichte durchgelesen (lass es mal so zehn bis zwanzig sein, plus ein paar von Alwin vorgelesene). Gefühlt hatte der von Mannheim viele Wiederholungen, während andere Berichte strukturierter waren.
Aber gut, darüber müssen wir ja nicht diskutieren. Die Informationen zum Unfallhergang sind sicher interessant und wichtig.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 16.01.2022 20:21:12
von Alwin Meschede
Nachzugler hat geschrieben: 16.01.2022 19:50:00 Streckenkunde gilt ja, soweit ich weiß, ein Jahr lang. Es ist also durchaus möglich, dass jemand die Strecke sechsmal befährt und dann zehn Monate nicht mehr. Erinnert er sich danach noch an alle Einzelheiten? Wie gesagt, vielleicht stelle ich als Laie es mir falsch vor und es gibt praktisch nur diesen einen Fall, wo dieses Problem auftrat.
Die Grundregel ist eigentlich einfach: Im Bahnhof und im Regelgleis stehen die Signale normalerweise rechts. Im Gegengleis stehen sie normalerweise links. Man muss also eigentlich nur so weit wach sein, dass man mitkriegt "bin ich im Gegengleis?" und "bin ich im Bahnhof?". Welche Eselsbrücken die Leute nutzen, um rauszukriegen wo ein Bahnhof anfängt, lassen wir mal dahingestellt (es gibt natürlich einen offiziellen Weg, wie man das macht - ein Blick in den Buchfahrplan). Die Erfahrung zeigt, dass selbst Leute die es nicht ganz so genau nehmen und sich sagen "ich brauche keinen Buchfahrplan" in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle so weit orientiert sind, dass das noch klappt.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 17.01.2022 01:57:01
von Achim Adams
Streckenkunde bedeutet nicht dass man sämtliche kleine Einzelheiten kennt. Es geht vielmehr darum die Strecken mit dem Streckenbuch abzugleichen, auf eventuelle Besonderheiten oder mögliche Verwechslungsgefahren hingewiesen zu sein. Insbesondere in größeren Knoten kann das umfangreich sein. Jeden einzelnen Schotterstein oder jede einzelne Weiche muss man dazu natürlich nicht kennen. Aber das nur in Kürze, ich möchte das ungerne mit weiteren Details übertreiben. Tut hier auch nichts zur Sache.

Dass die Streckenkunde nur ein Jahr gilt liegt daran, dass zwischenzeitlich Umbauarbeiten stattgefunden haben könnten. Es gibt Strecken die befährt man nach Jahren wieder, und alles ist unverändert. Bei anderen haben sich plötzlich Signale, Bahnsteige und Bahnhofsgrenzen geändert. Was vorher ein Selbstblocksignal war steht plötzlich woanders und ist plötzlich ein Einfahrsignal, was vorher ein Haltepunkt war ist plötzlich ein Bahnhofsteil. Die Bedeutungen der Richtungsanzeiger (Zs 2) können sich plötzlich geändert haben. Sowas steht zwar in der La drin, aber regelmäßig eben nur ein Jahr. Deswegen die Jahresfrist.

Im übrigen kann eine abgelaufene Streckenkunde unter vereinfachten Bedingungen aufgefrischt werden (einmalige Mitfahrt reicht da regelmäßig aus).

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 17.01.2022 06:25:45
von Duncan
Nachzugler hat geschrieben: 16.01.2022 19:50:00 Streckenkunde gilt ja, soweit ich weiß, ein Jahr lang. Es ist also durchaus möglich, dass jemand die Strecke sechsmal befährt und dann zehn Monate nicht mehr. Erinnert er sich danach noch an alle Einzelheiten? Wie gesagt, vielleicht stelle ich als Laie es mir falsch vor und es gibt praktisch nur diesen einen Fall, wo dieses Problem auftrat.
Ach Streckenkunde, wer braucht das schon... :rofl Mein Cousin in vorgestern nachts zum ersten Mal rechtsrheinisch von Köln/Bonn Flughafen über Troisdorf und Neuwied bis Koblenz gefahren, weil wegen den Baustellen gerade ja Brühl gesperrt ist. Streckenkunde hatte er keine, und es war stockduster, aber hat alles funktioniert. Sonst fährt er ja normal für die Mittelrheinbahn linksrheinisch, aber ging so natürlich dann nicht, heißt zum BW musste er dann auf der anderen Seite des Rheins am Dienstende fahren.

Re: Wie lange darf ein Tf arbeiten?

Verfasst: 17.01.2022 17:16:48
von Timo Albert
Duncan hat geschrieben: 17.01.2022 06:25:45
Nachzugler hat geschrieben: 16.01.2022 19:50:00 Streckenkunde gilt ja, soweit ich weiß, ein Jahr lang. Es ist also durchaus möglich, dass jemand die Strecke sechsmal befährt und dann zehn Monate nicht mehr. Erinnert er sich danach noch an alle Einzelheiten? Wie gesagt, vielleicht stelle ich als Laie es mir falsch vor und es gibt praktisch nur diesen einen Fall, wo dieses Problem auftrat.
Ach Streckenkunde, wer braucht das schon... :rofl Mein Cousin in vorgestern nachts zum ersten Mal rechtsrheinisch von Köln/Bonn Flughafen über Troisdorf und Neuwied bis Koblenz gefahren, weil wegen den Baustellen gerade ja Brühl gesperrt ist. Streckenkunde hatte er keine, und es war stockduster, aber hat alles funktioniert. Sonst fährt er ja normal für die Mittelrheinbahn linksrheinisch, aber ging so natürlich dann nicht, heißt zum BW musste er dann auf der anderen Seite des Rheins am Dienstende fahren.
Da ist dann aber gewaltig was in der Dienstplanung schiefgelaufen...