Die Leistungskurve eines Dieselmotors

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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questo
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Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#1 Beitrag von questo »

Moin Moin,

ich bin ein echter Anfänger, wenn es um das Thema Verbrennungsmotor geht. Eigentlich auch gar nicht mein Lieblingsthemenbereich, denn mit der recht dreckigen und umweltlastigen Antriebsart wollte ich mich bisher gar nicht so auseinandersetzen. Nun ja, im Rahmen der EiB-Ausbildung kommt der V-Traktion Grundkurs sowieso bald dran, ich habe aber eine Frage, die ich doch möglichst schnell für mich beantwortet haben möchte. Außerdem ist das Interesse an den Antrieb doch etwas gestiegen, gerade wenn ich so eine wuchtige und massive Verbrennerlok vor mir stehen habe, die - wie man zu sagen pflegt - alles wegzieht.

Die Baureihe 245 ist ja für den Personenverkehr konzipiert worden und für 160 km/h zugelassen. Ich schreibe explizit zugelassen, da sie das ja sowieso erstens ist, vermeide aber die Worte "erreicht 160 km/h". Ich würde vermuten, dass es im Betrieb recht selten vorkommt, dass die Lok wirklich ihre 160 km/h voll ausfährt und wenn sie dann noch was am Haken hat, braucht sie ewig, um diese Geschwindigkeit zu erreichen.
Diesbezüglich stellt sich mir die Frage, ob ein Dieselmotor leistungsbedingt immer eine bestimmte Leistungskurve hat. Als Konstrukteur dieser Lok (oder besser gesagt des Motors) hätte ich doch ein Augenmerk darauf gelegt, dass die Lok bis 160 km/h einen relativ "konstanten" Leistungsverlauf hat, ähnlich wie bei der E-Traktion.
Oder ist das eben leistungsbedingt nicht möglich? Müsste man dafür gravierende technische Veränderungen durchführen, damit die Lok bei über 140 km/h noch über 100 Kilonewton "abgibt"?

Alwin Meschede
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#2 Beitrag von Alwin Meschede »

questo hat geschrieben: 30.09.2021 18:39:11 dass die Lok bis 160 km/h einen relativ "konstanten" Leistungsverlauf hat, ähnlich wie bei der E-Traktion.
Was verstehst Du unter "konstant"? Die Kurve "Zugkraft über Geschwindigkeit" einer Lokomotive sieht typischerweise so aus:

Bild

Im unteren Geschwindigkeitsbereich ist die Zugkraft durch das Gewicht der Lok begrenzt. Nur in diesem Bereich ist die Zugkraft wirklich konstant. Die Maschine kann dort nur diese konstante Maximalzugkraft auf die Schiene bringen, weil andernfalls die Räder durchdrehen. Die Kurve knickt ab, sobald der Punkt der maximalen Leistung erreicht ist. Ab dort ackert die Lok mit allem was sie hat, aber die Zugkraft lässt nach, denn es gilt das Naturgesetz "Zugkraft ist gleich Leistung geteilt durch Geschwindigkeit". Dieser physikalische Zusammenhang ist unabhängig von der Antriebsart. Wenn ich im hohen Geschwindigkeitsbereich mehr Zugkraft haben will, muss ich mehr Leistung im Fahrzeug installieren (die Grafik zeigt allerdings den Idealfall - wenn zum Beispiel ein Getriebe ungünstig ausgelegt ist, kann es sein dass man schlechter als dieser Idealfall abschneidet. Aber egal was man macht, man wird nie besser als diese Kurve sein können).
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Jens Schubert
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#3 Beitrag von Jens Schubert »

Hallo!

ohne Wirkungsgrad o.ä. zu betrachten ist für 100 kN bei 140 km/h (140 km/h = 38,88888 m/s)

folgende Leistung notwendig:

Leistung P = Kraft F * Geschwindigkeit v = 100 kN * 38,88888 m/s = 3888,888 kW

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Carsten Hölscher
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#4 Beitrag von Carsten Hölscher »

Für den Verbrennungsmotor selbst gilt in erster Näherung: Das max. Drehmoment ist bei jeder Motordrehzahl gleich hoch. Da Leistung = Drehzahl * Drehmoment ergibt sich die höchste Leistung des Motors bei maximaler Drehzahl und maximalem Drehmoment. Und man kann eine mittlere Leistung an vielen Betriebspunkten anfahren durch Wahl von Drehmoment und dazu passender Drehzahl.
Echte Motoren können stark davon abweichen durch Turbolader, nicht ideale Verbrennungsvorgänge, Strömungseffekte usw.
Und die anschließende Kraftübertragung kann das Verhalten natürlich auch deutlich beeinflussen.

Carsten

questo
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#5 Beitrag von questo »

Vielen Dank für die Antworten. Mir fehlt wohl noch etwas an physikalischem Grundverständnis. Gerade ein Verbrennungsmotor ist ja recht komplex und kleinste, unwichtig erscheinende Faktoren können eine gewaltige Auswirkung auf die Leistung haben.

IngoW

Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#6 Beitrag von IngoW »

Carsten Hölscher hat geschrieben: 03.10.2021 19:58:50 Für den Verbrennungsmotor selbst gilt in erster Näherung: Das max. Drehmoment ist bei jeder Motordrehzahl gleich hoch. Da Leistung = Drehzahl * Drehmoment ergibt sich die höchste Leistung des Motors bei maximaler Drehzahl und maximalem Drehmoment. Und man kann eine mittlere Leistung an vielen Betriebspunkten anfahren durch Wahl von Drehmoment und dazu passender Drehzahl.
Echte Motoren können stark davon abweichen durch Turbolader, nicht ideale Verbrennungsvorgänge, Strömungseffekte usw.
Und die anschließende Kraftübertragung kann das Verhalten natürlich auch deutlich beeinflussen.

Carsten
Entweder meinst du was Anderes , als das was ich bei deinem Text verstehe, oder ich habe früher in der Berufsschule gepennt, aber eigentlich verhält sich das Drehmoment eines Verbrennungsmotors wie folgt . Ich rede nur vom Motorausgang , nicht vom Getriebeausgang.

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Mario R.
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#7 Beitrag von Mario R. »

Carsten meinte hier sicherlich den unrealistischen "Idealfall", der keinerlei Reibung und andere Einflussgrößen berücksichtigt.
Im Idealfall ist es so, dass die geleistete Arbeit unabhängig von der Drehzahl ist. Jeder Hub zieht die gleiche Menge Luft in den Zylinder und komprimiert das erhaltene Volumen im gleichen Maße, egal ob bei hoher oder niedriger Drehzahl.
Leider ist es in der Realität anders: Kolbengeschwindigkeiten relativ zu Flammfrontgeschwindigkeiten, Füllungsgrad des Zylinders (= wie viel Frischluft ist am Ende wirklich drin), Spülverluste an Ventilen, Kondensationsverluste an der Kolbenwand und die innere Reibung sind nur einige Einflussgrößen, die dafür sorgen, dass Dieselmotoren im unteren Drehzahlbereich ein Band haben, bei dem das maximale Drehmoment anliegt. Die maximale Leistung liegt dann erst später an. Mit dem Einsatz von Turboladern lässt sich das ganze nochmal etwas mehr beeinflussen.

Ich müsste mal gucken, was ich noch so an Literatur hier habe, um vielleicht noch irgendwelche Erkenntnisse gewinnen zu können.

Viele Grüße,
Mario

MBT Kuhl
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Re: Die Leistungskurve eines Dieselmotors

#8 Beitrag von MBT Kuhl »

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Das ist die Charakteristik einer sehr braven Lok, die leider im Dieselbetrieb nur acht Fahrstufen hat. Jeder Fahrstufe ist eine bestimmte Drehzahl fest zugeordnet. Technisch ist das nicht mehr ganz der aktuelle Stand. Die Kennlinie Drehmoment über Drehzahl ist meines Erachtens sehr weit weg von dem, was in der Literatur zu finden ist. Ein Turblader verändert zwar die Kennlinie und erhöht die Leistung, die man aus dem gegebenen Hubraum bei vorgegebener Drehzahl heraus holen kann, die Kennlinie passt nach meinem Gefühl aber nicht dazu. Beim Auto hat die Ladedruckregelung vornehmlich den Zweck, dass bei geringer Drehzahl schon ein großes Moment zur Verfügung steht, weswegen der Turbolader bei höherer Drehzahl rechtzeitig abgeregelt werden muss. Der Ladedruck sollte nicht zu hoch ansteigen. Das bekommt dem Motor nicht. Die Kennlinie ist einfach deutlich zu progressiv.

Aus eigenem Gefühl würde ich bei dieselhydraulischen Antrieben den Ladedruck bei niedrigen Drehzahlen etwas weiter begrenzen, weil sonst der Wirkungsgrad eher leidet. Die Eingangskennlinie eines Strömungsgetriebes ist in etwa eine Parabel, daher muss man nicht schon bei geringer Drehzahl den größtmöglichen Ladedruck haben.

Bild

Als kleine Spielerei habe ich mir eine andere Kennlinie ausgedacht. Ich habe mal angenommen, dass das Moment bis 1400 U/min propotional zum Quadrat der Drehzahl ansteigt, wobei bei 1400 U/min 80 % des maximalen Moments erreicht wären. Danach steigt das Moment linear an. Dies entspricht eher meinem Gefühl.

Die thermodynamischen Kreisprozesse bekomme ich auf die Schnelle nicht mehr ganz zusammen. Ich weiß noch, dass eine hohe Spitzentemperatur und ein hoher Druck wichtig sind für einen guten Wirkungsgrad. Das bedeutet, dass man im Teillastbetrieb möglichst mit niedriger Drehzahl und großem Moment arbeiten sollte.

Schweifen wir mal besser nicht zu weit ab.
Ich arbeite gern für meinen Konzern. Initiative für mehr Arbeit

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