Frage zu Signal ZS1

Fragen der echten Bahntechnik, Lokbedienung, PZB usw.
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Tommy0815
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Frage zu Signal ZS1

#1 Beitrag von Tommy0815 »

Das Ersatzsignal gilt auch, wenn es erlischt, bevor die Spitze des Zuges am Signal vorbei gefahren ist.
Folgendes Szenario:

Ich fahre einen schweren Eisenerzzug und muss die volle Bremskraft einsetzen um stehen zu bleiben.
Ich erkenne zweifelsfrei, dass ich nach ZS 1 weiterfahren darf, jedoch bin ich zu allen Überfluss zu weit vorm Signal stehen geblieben. Jetzt brauchen die Bremsen ca. 30-40 Sec. bis sie gelöst sind & der Zug braucht auch seine Zeit bis zum Anfahren.

Nach ca. 90 Sec. ist das ZS1 erloschen & ich noch immer nicht über das Signal gefahren.

Wie lange habe ich jetzt Maximal Zeit um weiter zu fahren ?
Tommy

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Carsten Hölscher
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Re: Frage zu Signal ZS1

#2 Beitrag von Carsten Hölscher »

Da gibt es keine Begrenzung.

Carsten

MarkusW
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Re: Frage zu Signal ZS1

#3 Beitrag von MarkusW »

Das werden aber sicher nicht die angenehmsten Momente im Leben eines Tf sein; oder ist das Vertrauen in Signaltechnik und Fdl so groß, dass da gar kein "mulmiges Gefühl" auftritt?

Gruß
Markus

TeeEssHah
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Re: Frage zu Signal ZS1

#4 Beitrag von TeeEssHah »

Das eventuell vorhandene mulmige Gefühl ist jedenfalls nicht in erster Linie vom vorzeitigen Erlöschen des Signals abhängig. Beim Zs 1 hängt hin wie her so gut wie alles von der korrekten Arbeitsweise des Fdl ab. Tf der DB müssen aber häufiger im Simulatortraining am Hp 0 vorbeifahren, an dem das Zs 1 bereits wieder erloschen ist.
Rolltreppenrechtssteher. Lichtschrankenfreilasser.

Regel Nr 1: Netz hätte einen immer noch locker vor den Zug lassen können, der einen gerade überholt.

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Michl
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Re: Frage zu Signal ZS1

#5 Beitrag von Michl »

TeeEssHah hat geschrieben:... Beim Zs 1 hängt hin wie her so gut wie alles von der korrekten Arbeitsweise des Fdl ab ...
Leider hat die jüngere Vergangenheit gezeigt, dass dies nicht immer der Fall war.

Gemessen an den Handlungen durch FDL´s pro Tag im gesamten Schienenverkehr dürften diese Fehler zwar kaum messbar sein, aber dennoch kommen bei Fehlhandlungen u. U. Menschen zu Schaden.

Was mich an Berichterstattungen einfach nur stört, ist dieses ständige "der FDL hat angebllich am Smartphone gespielt" o. ä. Anmerkungen. M. E. völlig unnütze Informationen, die aber FDL´s darstellen, als seien die permanten gelangweilt am Smartphone zugange.

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Timo Albert
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Re: Frage zu Signal ZS1

#6 Beitrag von Timo Albert »

Meine Erfahrung ist, dass die meisten Fdl ziemlich nervös werden, wenn man bis zum erlöschen nicht daran vorbei gefahren ist. Warum? Keine Ahnung.
Mir wurde das Signal auch schon mehrfach neu an gedrückt...
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Michael Springer
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Re: Frage zu Signal ZS1

#7 Beitrag von Michael Springer »

wenn man bis zum erlöschen nicht daran vorbei gefahren ist. Warum? Keine Ahnung.
Vielleicht ein älterer Kollege, der noch von früher im Kopf hat... Zs1 aus = Zs7. Lass es dann mal nachts sein und der Block 10km lang... Da machen 15km/h oder 40km/h schon was aus. Nämlich 30 Minuten Verspätung.

Michael

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F. Schn.
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Re: Frage zu Signal ZS1

#8 Beitrag von F. Schn. »

Weil man sich bei Zs1 und ähnlichem schon sehr sicher seien sollte was man da tut. Und man jeden Hinweis ernst nehmen sollte, der auf einen mögliches Problem hindeutet, und dazu gehört dann logischerweise auch, dass der Tf nicht loszufahren scheint.
Diese Signatur möchte folgendes bekannter machen: ZusiWiki · ZusiSK: Streckenprojekte · YouTube: Objektbau für Zusi · euirc: Zusi-Chat

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Timo Albert
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Re: Frage zu Signal ZS1

#9 Beitrag von Timo Albert »

Michael Springer hat geschrieben:
wenn man bis zum erlöschen nicht daran vorbei gefahren ist. Warum? Keine Ahnung.
Vielleicht ein älterer Kollege, der noch von früher im Kopf hat... Zs1 aus = Zs7. Lass es dann mal nachts sein und der Block 10km lang... Da machen 15km/h oder 40km/h schon was aus. Nämlich 30 Minuten Verspätung.

Michael
Wobei diese 15 km/h nach wie vor nicht für alle EVU gültigkeit haben ;-)
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MarkusW
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Re: Frage zu Signal ZS1

#10 Beitrag von MarkusW »

Michl hat geschrieben: Was mich an Berichterstattungen einfach nur stört, ist dieses ständige "der FDL hat angebllich am Smartphone gespielt" o. ä. Anmerkungen. M. E. völlig unnütze Informationen, die aber FDL´s darstellen, als seien die permanten gelangweilt am Smartphone zugange.
Das kommt ja auf den Leser an, was er aus der Information macht. Informationen vorzuenthalten halte ich in jedem Fall für falsch, zumal dieser Umstand ja für die strafrechtliche Aufarbeitung eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Gruß
Markus

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Ronny
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Re: Frage zu Signal ZS1

#11 Beitrag von Ronny »

Nicht immer sind diese Informationen aber auch wahrheitsgemäß (vor allem die „Insiderquellen“). Bis das Ereignis aufgeklärt ist, stecken immer viel Mutmaßungen darin. Und das nützt niemandem außer der Quote. Wir leben in einer Zeit von Sensationsgier und Meinungsmache, und unsere Medien sind Profis darin, deshalb sind solche Informationen mit Vorsicht zu genießen. Viele Leser lassen sich aber hinreißen, obwohl sie selbst keine Ahnung haben und auch nicht wissen, wie der Hergang war.


Dieses mulmige Gefühl beim Tf ist durchaus verständlich, wenn man sieht, was für eine Arbeitsweise einige unserer Fdl/Ww an den Tag legen. In der PD Berlin gab es dieses Jahr schon eine offene Schranke und eine Einfahrt ins besetzte Gleis in Verbindung mit Zs 1. Es wird Zeit, daß das Vorsichtsignal abgeschafft wird und bei Ersatzsignal immer auf Sicht gefahren wird. Und daß die Mitarbeiter bei der Lohnabrechnung endlich spüren, wenn sie Mist gebaut haben.

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Achim Adams
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Re: Frage zu Signal ZS1

#12 Beitrag von Achim Adams »

Für den Tf viel wichtiger: die Vorbeifahrt am haltzeigenden Hauptsignal erfolgt zulässig. Der Tf kann später nicht in Erklärungsnöte geraten, da er entweder über einen schriftlichen Befehl verfügt, oder weil die Bedienung des Ersatzsignals anhand der Zählwerke registriert und dokumentiert ist. Der Fdl hat der Fahrt zugestimmt, diese Zustimmung gilt zunächst zeitlich unbegrenzt. Möchte der Fdl die Zustimmung zur Fahrt widerrufen, so muss er dieses dem Tf mitteilen, evtl. sogar mit Nothaltauftrag. Das gilt auch wenn er der Fahrt mit Fahrtstellung des Hauptsignals zugestimmt hat.

F(R)S-Bauer
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Re: Frage zu Signal ZS1

#13 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Ronny hat geschrieben:...
Und daß die Mitarbeiter bei der Lohnabrechnung endlich spüren, wenn sie Mist gebaut haben.
Lass es, damit ist Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Der Arbeitgeber, insbesondere in Deutschland wird das Gerne nutzen um die Gehälter zu senken. Ein Vorwand findet sich schnell. Solche Sachen sind Aufgaben des Staates. Es gibt eine Grund, warum die unter den Nazis eingeführte Bestrafungsrecht der Arbeitgeber, inklusive Gefängnis, nach 1945 nicht mehr im Gesetz ist.

Ich unterstelle da das die Arbeitsweise der FDL nicht zuletzt ein folge der Privatisierung ist, du bekommst das was du bezahlst. Wenn ich nicht Bezahlen will und über den Sklavenhandel gehe, darf ich mich nicht wundern. Es ist für mich er verwunderlich das noch nicht mehr passiert ist.

MfG

Ralf
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Ronny
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Re: Frage zu Signal ZS1

#14 Beitrag von Ronny »

F(R)S-Bauer hat geschrieben:Ich unterstelle da das die Arbeitsweise der FDL nicht zuletzt ein folge der Privatisierung ist, du bekommst das was du bezahlst
Und genau diese Einstellung ist ein Unding. Selbst wenn die Fdl nur 500 EUR im Monat bekommen würden, haben sie sich trotzdem an die Vorschriften zu halten, Punkt aus.
Zu sagen „Du bezahlst zu wenig, deshalb arbeite ich nicht ordentlich“, ist das Dümmste was es gibt. Es gibt einen Arbeitsvertrag, an den sich beide Parteien zu halten haben. Die monatliche Überweisung kommt nicht, weil die Mitarbeiter die Stühle schön warm halten, sondern weil sie ihre Arbeit ordentlich zu machen haben. Wenn mir als Arbeitnehmer das nicht paßt, dann muß ich woandershin gehen. Außerdem ist für Lohnerhöhungen nicht der Arbeitnehmer mittels schlechter Arbeit und Trotz verantwortlich, sondern die Gewerkschaft mittels Tarifpolitik (wobei ich da bei der EVG weniger otpimistisch bin).

Und mal ganz davon abgesehen liegt die unterirdische Arbeitsweise einiger Fdl nicht an der Bezahlung, sondern an „Vorschrift XYZ ist doof“, „man muß sich ja das Leben nicht schwerer als nötig machen“, „das haben wir noch nie so gemacht“ und diversen anderem dämlichen Blabla. Höre ich regelmäßig beim FIT, kannste mir glauben.

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Michl
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Re: Frage zu Signal ZS1

#15 Beitrag von Michl »

Man darf aber nicht vergessen, dass geringes Gehalt nur die Deppen hervorlockt. Die gut qualifizierten Fachkräfte stehen für Hungerlöhne nunmal nicht auf.

Wie hat ein Bekannter eines Bekannten mal so schön gesagt:"Wer nur mit Peanuts lockt, darf sich nicht wundern, wenn nur Affen kommen."

Darum kann ich auch dieses Geseier der Arbeitgeber nicht mehr hören, es gäbe Fachkräftemangel. Es gibt einfach nur nen Mangel an ordentlich bezahlten Stellen, die Fachkräfte locken. Aber statt dessen importiert man lieber Billiglöhner und lässt die landeseigenen Fachkräfte versauern.

@MarkusW:

Du schreibst es selber, es ist für die strafrechtliche Verfolgung maßgeblich.

Aber nicht zur Befriedigung der Neugier von Branchenfremden, die dann wieder mit Gegröhl ne Sau durch´s Dorf treiben, ohne Fakten zu kennen.
Zuletzt geändert von Michl am 23.06.2018 23:45:47, insgesamt 2-mal geändert.

Alwin Meschede
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Re: Frage zu Signal ZS1

#16 Beitrag von Alwin Meschede »

Also dass ein besser bezahlter Fahrdienstleiter automatisch aufmerksamer bei so Dingen wie der Ersatzsignalbedienung ist, möchte ich bezweifeln.

Die DB Netz hat übrigens vor einigen Jahren festgestellt, dass ihre Fahrdienstleiter ziemlich gut sind, wenn es um Fehler durch den Faktor Mensch geht. Und zwar hat man zum Beispiel ausgerechnet, wieviele Unfälle und gefährliche Ereignisse es theoretisch pro Jahr in Deutschland in der Kategorie "mangelhafte Fahrwegprüfung durch den Menschen" geben müsste. Dazu hat man Störungswahrscheinlichkeiten, Anzahl der Stellwerke, Anteil der Stellwerke ohne Gleisfreimeldeanlage, gängige Wahrscheinlichkeiten für menschliche Fehler usw. in eine Formel gekippt. Da kam dann eine Zahl von rund 160 solchen Ereignissen pro Jahr raus. Der tatsächliche langjährige Durchschnitt bei der DB liegt aber seit Jahren recht stabil bei 14 Ereignissen pro Jahr. Die Fahrdienstleiter sind also zuverlässiger als sie es laut Wahrscheinlichkeitsrechnung eigentlich sein dürften ;) Derjenige der das ausgerechnet hat vermutet allerdings, dass es nicht daran liegt dass bei DB Netz nur die besten der besten arbeiten, sondern wohl einige Literaturwerte insbesondere zur menschlichen Fehlerwahrscheinlichkeit nicht so richtig belastbar sind.
Zuletzt geändert von Alwin Meschede am 24.06.2018 00:13:55, insgesamt 1-mal geändert.
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F(R)S-Bauer
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Re: Frage zu Signal ZS1

#17 Beitrag von F(R)S-Bauer »

Ronny hat geschrieben:
F(R)S-Bauer hat geschrieben:Ich unterstelle da das die Arbeitsweise der FDL nicht zuletzt ein folge der Privatisierung ist, du bekommst das was du bezahlst
Und genau diese Einstellung ist ein Unding. Selbst wenn die Fdl nur 500 EUR im Monat bekommen würden, haben sie sich trotzdem an die Vorschriften zu halten, Punkt aus..
Wenn ich so wenig Bezahle darf ich mich nicht wundern wenn den Leuten das Scheiß egal wird. Deine Neoliberale-Kampf Ideologie die, du hier an den Tag legst kannst du dir sparen. Das währe allenfalls bei Beamten berechtige, da sind die Spielregeln anders. Du verkennst die System-Wirklichkeit ein Kapitalistisch Ausbeutungssysteme von Bankers-Gnaden, wenn ich mal überspitz Formuliere darf. Einhalten von Gesetze und Regel endet dort wo wo ich mich Unfair behandelt fühle.

Leider muss noch viel mehr passieren, bis sich die Erkenntnis durchsetzt.

Allerdings gebe ich dir in so fern recht das es immer eine Bodensatz gibt, der sich verkehrt Verhält, Egal was Sie bekommen.

Zu Alwin Einlassung, beschleicht mich der Verdacht, das die Werte durch Schlechtere Lebensumfelder in andern Länder die Menschliche Fehlerwahrscheinlichkeit maßgeblich nach oben gedrückt wird (Zweit, Dritt, Viertjob und solche Sachen). Diesen Zusammenhang gibt es auch zwischen Demokratie <-> Diktatur und Sozialgefüge.

MfG

Ralf
Zuletzt geändert von F(R)S-Bauer am 24.06.2018 00:36:28, insgesamt 3-mal geändert.
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Michl
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Re: Frage zu Signal ZS1

#18 Beitrag von Michl »

@F(R)S-Bauer:

+1

Ich glaube aber auch kaum, dass jemand in dem Job echt so denkt:"Pah, für die paar Euro arbeite ich doch nicht gründlich." Es dürfte eher am Grad der Ausbildung liegen.

Gab es nicht auch bei den Tf´s so nen "Crashkurs"? Nach dem Motto "dreimal im Simulator im Kreis gefahren und man ist Lokführer"?

Ich denke mal, da liegt doch schon der Unterschied auf der Hand, ob man quasi im Schweinsgalopp oder in einer mehrjährigen Ausbildung qualifiziert wird.

Aber solange Konzernen die Rendeite der Aktionäre und die Gewinnmaximierung wichtiger sind, als soziale Gerechtigkeit, wird sich nichts ändern.

Ich finde es schon erbärmlich, wenn es heute Wirtschaftszweige sind, die so "systemrelevant" sind, dass man sie mit Samthandschuhen anpackt in Berlin.

Flo Zille
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Re: Frage zu Signal ZS1

#19 Beitrag von Flo Zille »

Ich bezweifle, dass es viele Leute gibt, die wirklich "ich bekomme nicht genug Geld, also riskiere ich bei der Arbeit Menschenleben und lasse bewusst vorgeschriebene Handlungen aus" denken und praktizieren. Ich könnte mir aber vorstellen, dass deswegen nicht so zügig gearbeitet wird wie es (auch auf sicherem Wege) möglich wäre, und der Wille zu hoher Konzentration ist vielleicht geringer, was dann das Unfallrisiko erhöht.
Alwin Meschede hat geschrieben:Die Fahrdienstleiter sind also zuverlässiger als sie es laut Wahrscheinlichkeitsrechnung eigentlich sein dürften ;)
Das Thema finde ich spannend! Hat man bei der Studie eigentlich auch berücksichtigt, dass nicht alle Fehlhandlungen offenbar werden? Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass relativ häufig (also in absoluten Zahlen trotzdem selten!) eine Fahrt auf Ersatzsignal zugelassen wird, obwohl dabei ein eigentlich wichtiger Schritt vergessen, absichtlich ignoriert oder nicht korrekt durchgeführt wurde. Nur meistens ist dann eben doch kein anderer Zug auf Kollisionskurs oder kein anderer Verkehrsteilnehmer auf dem BÜ und es geht alles gut und es merkt niemand den Fehler? Was wohl auch vorkommt, ist ein Fdl-Fehler, der dann auf dem "kleinen Dienstweg" gehandhabt wird. Habe schon in Foren von Tfs gelesen, die gerade noch vor dem Auffahren einer falsch gestellten Weiche anhalten konnten, dann kurz dem Fdl Bescheid gegeben haben und es ging weiter. Der Vorfall wurde wahrscheinlich nirgends korrekt erfasst. In einem Unfallbericht kürzlich wurde geschrieben, dass der BEU in den letzten Jahren so im Schnitt alle 2 Wochen ein Vorfall bekannt (!) wurde, bei dem ein BÜ-Posten den BÜ zu spät oder gar nicht gesichert hat und daher der Zug bereits den BÜ passiert hat, obwohl z.B. die Schranke noch nicht oder nicht korrekt oder noch nicht lange genug geschlossen war – auch hier dürfte noch eine Dunkelziffer dazu kommen – und es trotz dieser vielen Fehler nur in erstaunlich wenigen Fällen zu einem Unfall kam.

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Ronny
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Re: Frage zu Signal ZS1

#20 Beitrag von Ronny »

Michl hat geschrieben:Ich denke mal, da liegt doch schon der Unterschied auf der Hand, ob man quasi im Schweinsgalopp oder in einer mehrjährigen Ausbildung qualifiziert wird.
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß gerade die langjährigen Mitarbeiter die von mir beschriebene Arbeitsweise praktizieren. Wie auch bei den zwei Ereignissen, die ich genannt habe.
Eine große Rolle spielt die innere Einstellung, wie ordentlich man seine Arbeit ausführt. Es ist klar, daß man gerade Dinge, die man nicht regelmäßig praktiziert (Abweichen vom Regelbetrieb, also z. B. Zurücksetzen eines Zuges), irgendwann teilweise oder vollständig vergißt. Wenn man aber einen gewissen Anspruch an seine Arbeitsweise hat, dann nimmt man während der Arbeitsbereitschaft (auf den wenigsten Stw ist die Arbeitsbelastung so hoch, daß man nie Zeit dafür hat) das Regelwerk her und frischt mal sein Wissen auf, anstatt allerlei Dinge zu tun, die auf Arbeit nichts verloren haben. Viele der älteren Mitarbeiter kommen immer gerne mit dem Spruch „Ich bin schon … Jahre bei der Bahn.“, womit sie einem dann immer klarmachen wollen, wieviel besser sie sind und wieviel besser sie arbeiten und wieviel Erfahrung sie haben. Aber im FIT sind diejenigen dann nicht einmal in der Lage, den korrekten Wortlaut des Nothaltauftrages wiederzugeben …
Der andere wesentliche Faktor ist die Ausbildung. Unsere Funktionsauszubildenden („Quereinsteiger“) haben eine sehr komprimierte Ausbildung was Dauer und Komplexität betrifft. Die lernen das System Eisenbahn natürlich nicht so umfangreich wie wir Dreijährigen kennen. Ich bin auch kein Freund dieser Kurzausbildung. Ein Jahr Ausbildung sollte bei so einem umfangreichen Regelwerk und der komplexen Technik schon drin sein. Viele F-Azubi sind doch überrascht, wieviel Stoff zu lernen ist und daß es nicht reicht, während der Seminarzeiten mitzuarbeiten, sondern daß man auch in der Freizeit sehr viel lernen muß, um dranzubleiben. Allerdings gibt ihnen die Funktionsausbildung alles an die Hand, was nötig für die Arbeit ist. Und: Die F-Azubi haben einen besseren Wissensstand als manch langjähriger Mitarbeiter, was natürlich wieder an innerer Einstellung und Ausbildung liegt. Viele MA trauern noch der alten Fahrdienstvorschrift hinterher („besser gegliedert“, „nicht so umfangreich“, „verständlicher“ usw.). Gerechterweise muß man aber sagen, daß die aktuelle FV tatsächlich eine Überarbeitung in Sachen Verständlichkeit verdient. – Beste Beispiele sind 0231 Abschn 3 und 0244, die man stark reduzieren/vereinfachen sollte. Außerdem ist man durch die vielen Querverweise oft mit Hin-und-her-Blättern beschäftigt („Sperre nach Modul 408.0403 Nr. … muss angebracht werden.“, „Räumungsprüfung auf Zeit wird erforderlich, wenn a) sie nach Modul 408.0622 Abschnitt 1 Absatz (2) Nr. 4 und Absatz (5) eingeführt werden muss, …“). Wenn man hinschreibt, was man vom Mitarbeiter will, anstatt auf eine andere Stelle zu verweisen, verlängert sich der Text zwar an dieser Stelle, andererseits gewinnt er dann auch an Verständlichkeit und man kommt schneller zu einem Ergebnis. Dazu kommen die ständigen Aktualisierungen und Weisungen. Gerade den älteren MA fällt es nicht immer leicht, neue Regeln zu verinnerlichen. Hier ist der Trainer beim FIT-Unterricht gefragt.
Michl hat geschrieben:Aber solange Konzernen die Rendeite der Aktionäre und die Gewinnmaximierung wichtiger sind, als soziale Gerechtigkeit, wird sich nichts ändern.
Ich finde es schon erbärmlich, wenn es heute Wirtschaftszweige sind, die so "systemrelevant" sind, dass man sie mit Samthandschuhen anpackt in Berlin.
Die Grundsicherung (Verkehr, Post, Energieversorgung usw.) zu privatisieren war das große Verbrechen und einer der Gründe für die Mißstände.
(Ich frage mich, wie man darauf kommt, daß ich neoliberal wäre.)

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