Da ich enge Verbindungen zum amerikanischen Eisenbahnwesen habe, hier mal ein paar grundsätzliche Anmerkungen zu Train Dispatcher. Die Möglichkeiten dieses Programms werden oft unterschätzt. Es ist zumindest ab der Version 3.0 (aktuell 3.5, siehe
http://www.softrail.com/railsof.html) kein reines Spielprogramm mehr, sondern ein professionell nutzbares Ausbildungssystem, das von einigen nordamerikanischen Bahnunternehmen (u. a. UP) als reguläres Trainingstool für die Dispatcherausbildung genutzt wird. Dazu wird natürlich die Ansicht "Basic" benutzt und nicht die aus meiner Sicht überflüssigerweise noch immer zusätzlich implementierte Spiel-Bedienoberfläche. Die Stärke von TD ist die sehr realistische Abbildung der betrieblichen Regeln und der Stellwerksbedienung nordamerikanischer Fernbahnen im Betriebsverfahren CTC. Darin liegt aber auch schon das größte Problem in der Anwendung für die Simulation europäischer Betriebsbeispiele. Eine ganze Reihe von grundlegenden Elementen des nordamerikanischen Bahnbetriebes passt nur sehr bedingt zu den europäischen Grundsätzen, z.B.:
- keine Unterscheidung zwischen Zug- und Rangierfahrten,
- alle Signale sind Hauptsignale, keine Analogie zu europäischen Sperr- und Rangiersignalen,
- ausschließliche Mehrabschnittssignalisierung, auch bei sehr langen Blockabschnitten, keine allein stehenden Vorsignale,
- keine Durchrutschwege,
- keine Unterscheidung zwischen Bahnhofs- und Streckengleisen, als Betriebsstellen fungieren die "interlockings", d.h. die Fahrstraßenkknoten, die von allen Seiten durch Hauptsignale begrenzt werden aber selbst keine Wartepositionen für Züge enthalten.
Mehr über die Hintergründe des amerikanischen Bahnbetriebes im Vergleich mit europäischen Grundsätzen sind in folgendem Beitrag enthalten:
http://www.eurailpress.de/archiv/showpd ... 7pachl.pdf
Viele Funktionen europäischer Stellwerke und europäische Betriebsstellenkonfigurationen sind daher nicht abbildbar. Auch für nordamerikanische U-Bahnen passt TD nicht (die angebotenen Strecken der New Yorker U-Bahn sind eine unrealistische Spielerei). Einige erwähnten die einfache Simulation der Zugfahrten, indem die Interlockings die logische Länge Null haben und die Fahrzeit nur den Blöcken zugeschieden wird. Auch die Fahrdynamik ist sehr simpel, indem die Geschwindigkeit einfach stufenweise hoch- und heruntergeschaltet wird. Eine echte fahrdynamische Modellierung des Anfahr- und Bremsverhaltens ist nicht implementiert. Diese Vereinfachungen haben aber einen ganz bestimmten Hintergrund, der auf der anderen Seite eine besondere Stärke von TD darstellt. Und zwar ist die Zugfahrtsimulation eher als eine Hilfsfunktion gedacht, um die Stellwerksfunktionen vorführen zu können. Für das reine Training der Stellwerksbedienung wird diese einfache Simulation sogar in vielen Fällen ausreichend sein. TD kann aber auch in einem Modus ohne Nutzung der internen Zugfahrtsimulation betrieben werden. Das Programm arbeitet dann wie ein richtiges Stellwerk, indem die Stellbefehle an eine Datenschnittstelle ausgegeben und die Statusmeldungen der Außenanlagen ebenfalls von einer Schnittstelle gelesen werden. Damit ist z.B. die Steuerung einer Modellbahn möglich, so dass TD unmittelbar in Eisenbahnbetriebslabors eingesetzt werden kann. Anstelle einer physischen Modellbahn ist natürlich auch eine virtuelle Modellbahn in Form eines Simulationsprogramms möglich. Da könnte ich mir durchaus auch eine Verbindung mit Zusi vorstellen. Das setzt allerdings voraus, dass man auf Rangierfahrten und bestimmte Betriebsstellenkonfigurationen verzichtet.
Jörn